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Heizung zentral oder dezentral

Was rechnet sich wann?

Gerade in Ballungsgebieten stellt sich häufig die Frage, wann eine zentrale und wann eine dezentrale Heizungsanlage sinnvoll ist. Letztlich hilft nur eine Berechnung, ab wann die Leitungsverluste zentraler Anlagen durch genügend Anschlüsse aufgefangen werden. Wissenschaftler liefern dafür feste Parameter. Das Umfeld entscheidet.
Wer in einer größeren Stadt vor der Wahl steht, im Neubau oder einem grundsanierten Bestandsbau eine neue Heizungsanlage zu installieren, kommt um die Frage zentral oder dezentral nicht herum – es sei denn, die Kommune gibt einen Anschlusszwang vor. Der kann entweder für ihr Fernwärmenetz (sehr häufig) oder für ihr Gasnetz (weniger häufig) gelten, beide vom örtlichen und im kommunalen Besitz befindlichen Versorger betrieben.

Ein Anschluss an Wärmenetze lohnt sich wirtschaftlich nur unter bestimmten Voraussetzungen. In vielen Fällen wird dies jedoch per Anschlusszwang durch die Kommune vorgegeben

Bild: Fachverband SHK NRW

Ein Anschluss an Wärmenetze lohnt sich wirtschaftlich nur unter bestimmten Voraussetzungen. In vielen Fällen wird dies jedoch per Anschlusszwang durch die Kommune vorgegeben

Check von Netz-Varianten

Wer jedoch wirklich die Wahl hat zwischen dezentraler oder zentraler Heizung, der hat die Qual, auch wenn dies nicht den Installateur trifft, sondern den Bauplaner. Denn der muss einschätzen, ab wann sich ein Fernwärmeanschluss lohnt. Einen ersten Anhaltspunkt liefert die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Sie fördert Wärmenetze, die mindestens 500 kWh Wärme je Meter Trassenlänge und Jahr an die Angeschlossenen abgeben, und bietet somit einen gewissen finanziellen Anreiz. Denn die Förderbank zahlt 60 Euro je Trassenmeter bis zu einem Höchstbetrag von 1 Million Euro.
Über die Wirtschaftlichkeit sagt dies jedoch leider nichts aus. Die ergibt sich erst aus folgender Formel: „15 Kilowattstunden je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr“. Bezeichnet wird damit der Maximalverlust, den ein Wärmenetz überhaupt bei einem Neubauvorhaben erleiden darf. Bezogen auf die Trasse bedeutet das einen Verlust von rund 150 bis 250 kWh je Meter. Liegt der Wert schon in der Planung darüber, ist ausnahmslos auf dezentrale Wärmeversorger zu setzen. Für den Wohnungsbestand gelten höhere Werte von 25 bis 30 kWh je Quadratmeter Wohnfläche. Dies entspricht einem Trassenverlust von bis zu 500 kWh je Meter.
Ein weiterer Wert ist die Anschlussdichte, also die Anzahl oder der Anteil der Wohnungen, die in einem Netz auf jeden Fall angeschlossen werden müssen. Dieser sollte nie unter 90 % liegen. Sprich: Wenn nur 10 % der Wohnungseigentümer in einem Anschlussgebiet sich weigern, an der Versorgung via Wärmenetz teilzunehmen, sollten auch die übrigen 90 % davon Abstand nehmen. Auch hier heißt die Lösung wieder dezentrale Wärmeversorgung.
In Zahlen ausgedrückt: 1350 bis 2250 kWh sollten je Trassenmeter und Jahr nach der Meinung von Wissenschaftlern wie Gunnar Eikenloff, der am Wolfenbütteler EOS Institut für energieoptimierte Systeme forscht, von allen angeschlossenen Wohnungen abgenommen werden. Das geht deutlich über die Förderbedingungen der KfW hinaus und hat seinen guten Grund. Denn landauf, landab gibt es unrentable Wärmenetze.

Verbrennungsverbote und Anschlusszwänge

In Deutschland existieren bisher über 1000 dieser Zwangsanschlüsse, häufig garniert mit Verbrennungsverboten für fossile, aber auch erneuerbare Energieträger wie Holz oder Pellets.
Eine Übersicht über die Kommunen und die betroffenen Baugebiete findet sich unter www.verbrennungsverbote.de

Netze oft unrentabel

Eikenloff untersuchte ein Objekt in Speyer, das mit 550 m² Solarkollektorfläche und einem 100 m³ Speicher 61 Einfamilienhäuser mit Nahwärme versorgte. Die solare Wärme reicht gerade mal aus, um die Netzverluste auszugleichen. Die Wärmeversorgung selbst erfolgt über einen Gasbrennwertkessel. Die Einspeisung der Solarwärme in das Netz ist also nahezu ein Nullsummen-Spiel und somit vollkommen überflüssig.
Besonders prekär wird es, wenn Netze nicht in Städten wie Speyer, sondern in ländlichen Gegenden verlegt wurden. Denn hier ist für die Zukunft mit immer weniger Abnehmern zu rechnen. Dies resultiert einerseits aus der Landflucht, andererseits aus einer besseren Energieeffizienz der Häuser, die immer weniger Wärme benötigen und die bereits beschriebene Anschlussdichte immer unwahrscheinlicher werden lassen.
Solch ein Beispiel ist Neuerkerode. Dort betreibt die Evangelische Kirche ein Wohndorf mit über 800 Bewohnern. Die Entscheidung für Fernwärme fiel 1973, denn sie war die bequemste Form der Wärmeversorgung. Hier wurde ein Wärmeverlust von etwas mehr als 40 kWh je Quadratmeter und Jahr Wohnfläche ermittelt. Inzwischen ist geplant, 25 % des Netzes zurückzubauen und durch dezentrale Energieversorger zu ersetzen.

Parameter Wärmenetz

Wohnflächenbezogener Verteilnetzverlust:
10 – 15 kWh/(m² Wohnfläche und Jahr)
Verlustwerte Trasse: 150 – 250 kWh/m
(max. 500 kWh/m im Bestand)
Netznutzungsgrad: über 90 % (88 – 90 % im Bestand)
KWK-Anteil Wärmeenergie: > 25 … 50 %
Anschlussdichte: mehr als 20 Wohneinheiten je Gebäude
Wärmebelegungsdichte (Abnahme): 500 kWh je
Trassenmeter und Jahr (nach KfW- Förderrichtlinien)
1350 bis 2250 kWh Trassenmeter und Jahr

Voraussetzung, um ein Wärmenetz überhaupt wirtschaftlich zu betreiben, ist die Kraft-Wärme-Kopplung, wie hier mittels eines Blockheizkraftwerkes

Bild: E.ON

Voraussetzung, um ein Wärmenetz überhaupt wirtschaftlich zu betreiben, ist die Kraft-Wärme-Kopplung, wie hier mittels eines Blockheizkraftwerkes

Dezentral meist effizienter

Da die Parameter für einen Wärmenetzanschluss in der Regel nur in Ballungsgebieten und in verdichteten Siedlungsräumen erreicht werden, kommen für alle anderen Fälle nur dezentrale Wärmequellen infrage. Doch hier herrscht erst recht die Qual der Wahl. Ein Installateur ist von Bauherren gerade im Bereich von Ein- und Zweifamilienhäusern auch als Ratgeber gefragt, welche Heizung die sinnvollste ist. Einen ersten Anhaltspunkt liefert ebenfalls die Förderung. Vom Staat bezuschusst wird vorrangig, was erneuerbar ist. Dennoch ist es möglich, auch Öl- und Gas-Brennwerttechnik zu fördern. Zum einen gelingt dies durch das Marktanreizprogramm (MAP). Das gilt jedoch immer nur in Kombination mit einer erneuerbaren Wärmequelle. In der Regel ist dies Solarthermie. Möglich sind für solche Hybridsysteme aber auch Biomasse-Heizkessel oder -öfen, die den Heizungskreislauf unterstützen. Zum anderen fördert die KfW eine Heizungserneuerung auch bei Öl und Gas, und zwar mit 15 % der Investitionssumme. Voraussetzung ist Brennwerttechnik. Doch die ist inzwischen Standard. Die bisher dominierende Niedertemperaturtechnik ist durch das seit diesem Jahr geltende Effizienz-Labeling unverkäuflich, weil sie die von der EU geforderte Effizienzklasse nicht mehr erreicht.

Brennstoffkosten: Die große Unbekannte

Die größte Unbekannte in diesem Spiel sind jedoch die Brennstoffkosten. Allein schon aus diesem Grund ist bei Beratung und Planung eine Diversifizierung der Wärmequellen mittels Hybridsystemen zu empfehlen, auch wenn diese anfänglich eine deutlich höhere Investition bedeuten. Aktuell erfreuen sich gerade Ölheizungen wieder großer Beliebtheit. Der Verkauf von Öl-Brennwerttechnik nahm 2015 um 30 % zu – nach zuvor jahrelanger Stagnation. Auch Gas-Brennwert verzeichnete nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) ein Absatzplus von 4 %.
Zurückzuführen ist dies zum einen auf einen hohen Modernisierungsstau bei Öl- und Gas-Brennwert in Verbindung mit stark gesunkenem Heizölpreis ab dem dritten Quartal, so Frederic Leers vom BDH. Zum anderen greifen aber auch Instrumente wie das MAP, da diese Heizungsform schon immer gern mit Solarthermie verknüpft wurde.

Pellets haben es zurzeit schwer. Jahrelang waren sie deutlich günstiger als Heizöl – der Energieträger, den sie am häufigsten ersetzten. 2015 brachen die Absätze von Pelletheizungen um 19 % ein, da auch der Preisvorteil bei fallenden Ölpreisen dahin ist und die Investition in Heizung und Lager in etwa doppelt so hoch ist wie bei einer Ölheizung

Bild: BDH

Pellets haben es zurzeit schwer. Jahrelang waren sie deutlich günstiger als Heizöl – der Energieträger, den sie am häufigsten ersetzten. 2015 brachen die Absätze von Pelletheizungen um 19 % ein, da auch der Preisvorteil bei fallenden Ölpreisen dahin ist und die Investition in Heizung und Lager in etwa doppelt so hoch ist wie bei einer Ölheizung

Erneuerbare nicht vernachlässigen

Die erneuerbaren Energien hingegen, insbesondere Biomassekessel wie Pellets, müssen aktuell deutliche Einbußen um bis zu 20 % hinnehmen. Pelletskessel ersetzen Ölheizungen meist in Gegenden, in denen weder Wärme- noch Gasnetze anliegen. Durch die inzwischen höheren Brennstoffkosten der Presslinge rechnet sich der Umstieg oder der Neueinbau nicht mehr. Das ist nur noch gegenüber Gas möglich. Zudem sind die Investitionskosten etwa doppelt so hoch wie bei einer Ölheizung. Zwar werden Biomassekessel stärker gefördert. So sind für eine Pelletheizung in Kombination mit Solarthermie rund 4200 Euro Fördermittel drin – etwa ein Viertel der Investition. Dennoch ist eine Amortisation kaum möglich.

Der Umstieg auf Brennwerttechnik wird auch bei fossilen Energieträgern mit einem Zuschuss vom Staat belohnt. Eine Lösung ist es, den Abgasstrang, der bei einer Brennwertheizung komplett anders konstruiert ist als bei einer Niedertemperatur-Heizung, in den alten Kaminzug zu verlegen

Bild: ZVSHK

Der Umstieg auf Brennwerttechnik wird auch bei fossilen Energieträgern mit einem Zuschuss vom Staat belohnt. Eine Lösung ist es, den Abgasstrang, der bei einer Brennwertheizung komplett anders konstruiert ist als bei einer Niedertemperatur-Heizung, in den alten Kaminzug zu verlegen

Fördermöglichkeiten Heizungssysteme

KfW-Programm 430
www.kfw.de
Zuschuss von 15 % der Investitionskosten für eine Heizungserneuerung bei u. a. selbstgenutzten / vermieteten Ein-/Zweifamilienhäusern bzw. Eigentumswohnungen mit Bauantrag vor 01.02.2002; Antrag ab dem 01.04.2016 direkt bei der KfW stellen
BAFA-Förderprogramm „Nutzung erneuerbarer Energien“ www.bafa.de
Basisförderung/Mindestzuschuss für die Errichtung einer Solarthermieanlage zur Warmwasserbereitung und Raumheizung, Förderzuschuss in Höhe von 2000 Euro Zusatzbonus von 20 % des bisherigen MAP-Förderbetrags für den Heizungsaustausch
Zuschuss von 600 Euro für Heizungsoptimierung
Nur Ölheizungen
www.zukunftsheizen.de
Zuschuss von 250 Euro bei Umstieg auf Öl-Brennwerttechnik Aktion „Deutschland macht plus“ des Instituts für Wärme und Oeltechnik
Nur Bayern: 10 000-Häuser-Programm
www.energieatlas.bayern.de
Zuschuss von 1000 bis 2000 Euro bei Heizungstausch, mit KfW und BAFA grundsätzlich kombinierbar Antrag ab dem 01.02.2016 online und schriftlich via Fach­betrieb an Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft
und Medien, Energie und Technologie Nur Bremen: Clever heizen
www.energiekonsens.de
Zuschuss von 500 Euro beim Umstieg von alter Erdgas- oder Ölheizung auf Brennwerttechnik mit Erdgas oder Pellets
Nur NRW und nur Pelletkessel Progres.nrw
www.progres.nrw.de
Zuschuss von 2500 Euro beim Einbau eines Pelletkessels in Verbindung mit thermischer Solaranlage

Kundenwunsch Nachhaltigkeit

Installateure sind dennoch gut beraten, die Wünsche der Hauseigentümer und Investoren zu berücksichtigen. Denn es kann durchaus sein, dass für diese nicht der Preis einer Investition im Vordergrund steht, sondern deren Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit. Und da kommen Pellets sowie Wärmepumpen wieder ins Gespräch.
Gerade Wärmepumpen sind im Neubau eine ideale Lösung. Durch ihre niedrigen Vorlauftemperaturen passen sie hervorragend zu Fußbodenheizungen und sind deswegen besonders effizient. Am beliebtesten sind Luft-Wärmepumpen, da sich ihre Investitionssumme durchaus mit einer herkömmlichen Heizung vergleichen lässt und sie mit einem relativ geringen Installationsaufwand auskommen.

Solarthermie verzeichnete 2015 rückläufige Absätze. Dennoch ist sie bei einem Neubau zu empfehlen – als Hybridkomponente mit einer fossilen oder einer Pelletheizung

Bild: BDH

Solarthermie verzeichnete 2015 rückläufige Absätze. Dennoch ist sie bei einem Neubau zu empfehlen – als Hybridkomponente mit einer fossilen oder einer Pelletheizung

Schulungen zu Pelletheizungen und Wärmepumpen

Installateure, deren Kunden sich für erneuerbare Wärmequellen entscheiden und die noch keine Erfahrung damit haben, sind gut beraten, sich entsprechend zu schulen. Sowohl das Deutsche Pellet Institut (www.depi.de) aus auch der Bundesverband Wärmepume (www.waermepumpe.de) bieten entsprechende Kurse an.

Frank Urbansky
Freier Journalist und Fachautor aus Leipzig, Mitglied der Energieblogger, schreibt täglich in seinem Blog
www.enwipo.de rund um Energiethemen
01 71 5 25 32 79

Checkliste für die Auswahl der Wärmeversorgung

Bausatzung: Was ist an Energieversorgungsformen erlaubt, was nicht?
Bestehen Anschlusszwänge und Verbrennungsverbote – einhalten!
Bestehen diese nicht, überschlägige Berechnung, wie viele Wohnungen an ein Wärmenetz angeschlossen werden könnten und wie lang die Trassenführung wäre (Formel s. Parameter Wärmenetz)
Sind die Trassenverluste zu groß – Wahl dezentraler Erzeuger
Wünsche des Bauherrn berücksichtigen
Preisvergleiche Investition und Brennstoffe anstellen, 20-Jahre-Rechnung aufstellen (i.d.R. Lebensdauer einer dezentralen Heizung) anhand Langzeitreihen, etwa unter
www.bdew.de für Gas
www.mwv.de für Heizöl
www.depi.de für Pellets
www.strom-report.de für Strom
Entscheidung für Wärmeträger, Kundenwunsch berücksich­tigen, evtl. Hybridsystem
State-of-the-Art:
– Öl-Brennwert
– Gas-Brennwert (nur bei vorhandenem oder geplantem Gasnetz)
– Pellets-Brennwert
– Wärmepumpe (mind. JAZ 4, wird inzwischen auch von Luft-Wärmepumpen erreicht)
– KWK-Lösungen, etwa ein Blockheizkraftwerk, lohnen sich in aller Regel nur für Wohngebäude mit mindestens vier Wohnungen!
Besonderheit Baden-Württemberg: EWärmeG verlangt Einsatz von 15 % erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung bei Sanierungen im Bestand!
Bei Energieträgern, die Lagerraum benötigen, Platzsituation und technische Voraussetzungen klären:
– Heizöl unter www.iwo.de
– Pellets unter www.depi.de
Vergleich am Markt, welcher Hersteller / Großhändler effi­ziente und günstige Technologie bietet
Welche hybride Kombination ist ideal?
Ist Solarthermie besser als Photovoltaik?
Kann Photovoltaik zum Eigenverbrauch oder zum Betrieb einer Wärmepumpe beitragen?
Biomasse (in aller Regel Holz) als reiner Kaminofen oder mit Wassertasche zur Unterstützung des Heizungskreislaufs
Bei Verbrennungs-Heizungen mit örtlichem Schornsteinfeger wegen Zulässigkeit des Abzugs kurzschließen (insbesondere beim Einbau von Brennwerttechnik und dem Einziehen des neuen Abgasstranges in einen alten Kamin)

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