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Heizkosten

Was ist die Gradtagszahl und wofür brauche ich sie?

Inhalt

Krakenimages.com - stock.adobe.com

Mit Gradtagszahlen lassen sich Heizkostenabrechnungen überprüfen und ob eine energetische Sanierungsmaßnahme Erfolg erzielt hat. Wie das funktioniert.

Wir werden in diesem Bericht die Gradtagszahl auseinandernehmen und anhand von Beispielen in ihrer Bedeutung erklären:

Gradtagszahlen dienen beispielsweise zur Überprüfung von Heizkostenabrechnungen. Oder sie zeigen auf, ob eine energetische Sanierungsmaßnahme tatsächlich den gewünschten Erfolg erzielt hat.

Es könnte ja sein, dass ein neuer, hocheffizienter Heizkessel montiert wurde und der Verbrauch im Folgejahr sich trotzdem erhöht. Oder es wurde in Smart-Home investiert und sämtliche Thermostatventile gegen elektronische mit WLAN-Anbindung ausgetauscht und der Gasverbrauch hat sich nach einer Heizperiode trotzdem nicht entsprechend verringert. Dann gerät man als SHK-Handwerker leicht in Erklärungsnot. Wie soll man das erklären? Die rein subjektive Wahrnehmung, „Das war aber auch ein kalter Winter“, hilft wenig, weil es sich um eine subjektive Empfindung handeln kann.

Grundlage zur Heizlast

Zuerst einmal sollte der Zusammenhang zwischen dem Verhältnis von Außen- und Innentemperatur und der daraus resultierenden Heizlast nochmals erkannt werden. Dabei soll folgendes Gebäude als Modell dienen:

Die Normaußentemperatur für den Ort liegt bei −10 °C. Sämtliche Räume des Hauses werden auf 20 °C ausgelegt. Die Heizlast betrage dann genau 7500 W.

Im Gedankenmodell kann man davon ausgehen, dass bei wärmeren Außentemperaturen als −10 °C das Gebäude eine geringere Heizlast aufweisen wird als 7500 W. Rein rechnerisch beträgt die Heizlast nur bei 30 K Temperaturdifferenz, also der Raumtemperatur von 20 °C minus der Außentemperatur von −10 °C genau 7500 Watt. Beispielsweise bei 0 °C Außentemperatur beträgt die Differenz zwischen drinnen und draußen nur noch 20 K.

Rechnet man dann kurz die Verhältnisse aus, dann ergibt sich 20/30 multipliziert mit 7500 Watt gleich 5000 Watt Heizlast. Und bei 10 °C Außentemperatur ergibt sich nur noch eine Heizlast von 10/30 multipliziert mit 7500 Watt gleich 2500 Watt. Ohne Temperaturdifferenz, also bei einer Außentemperatur von 20 °C, beträgt die Heizlast gleich Null Watt.

Die aktuelle Heizlast hängt also wesentlich davon ab, wie groß die Temperaturdifferenz zwischen drinnen und draußen ist. Und Zeiträume mit sehr tiefen Außentemperaturen schlagen beim Jahresenergieverbrauch stärker zu Buche als warme Tage. Soweit klar.

Ansatz der Gradtagszahl

Um die Gradtagszahl (GTZ) zu ermitteln, ging man noch einen Schritt weiter. Man unterstellte einfach, dass die Beheizung eines Gebäudes erst ab einer Heizgrenztemperatur erfolgen wird. Diese wurde mit 15 °C angenommen. Man geht also davon aus, dass sich ab Außentemperaturen oberhalb von 15 °C der Heizkessel nicht mehr zur Beheizung einschaltet. Im eben genannten Beispiel wäre die Heizlast auf 1.250 Watt geschrumpft, für das ganze Wohnhaus wohlgemerkt. Da kann es schon ausreichen, wenn die Sonne ins Haus strahlt und auf diese Weise einen Raum erwärmt. Mit diesem Ansatz erstellt man dann einen Kalender mit zugeordneten Differenztemperaturen als Mittelwert. Der deutsche Wetterdienst hat das für sehr viele Orte in Deutschland gesammelt und stellt die Werte zur Verfügung.

Beispiel für einen Monat April:

Quelle: SBZ-Monteur

Die GTZ beträgt für diesen Monat also 237,0. Und obwohl beispielsweise am 24.4. eine Differenztemperatur von 3,5 (20 minus 16,5) rein rechnerisch nachzuweisen ist, wird dieser nicht mit aufgenommen, da ja die Heizgrenztemperatur von 15 °C an diesem Tage im Durchschnitt überschritten wurde.

Winzige, logische Formel

Um den Heizenergieverbrauch abzuschätzen, werden die Gradtagszahlen der jeweiligen Jahre ins Verhältnis gesetzt und mit dem bereits bekannten Wert für ein Jahr multipliziert.

HEVprog = der Heizenergieverbrauch innerhalb des Zeitraums, für den die Prognose erstellt werden soll.

HEVbek = der Heizenergieverbrauch, zu dem bereits ein Ergebnis vorliegt

GTZprog = Gradtagszahl innerhalb des Zeitraums, für den die Prognose erstellt werden soll.

GTZbek = Gradtagszahl innerhalb des Zeitraums mit bereits bekanntem Energieverbrauch.

Praktisches Berechnungsbeispiel: MFH in Werne

deagreez - stock.adobe.com

Eine gut informierte Immobilienbesitzerin aus Werne verwaltet ihr Mietshaus mit insgesamt 6 Wohneinheiten in eigener Regie. Das Wohnhaus wird über eine zentrale Heizung mit Wärme versorgt. Die Gasverbräuche des Hauses über vergangene Jahre liegen der Dame vor.

Um konkurrenzfähig zu Neubauten im Umfeld zu bleiben und um auch etwas für die Umwelt zu tun, sollten Modernisierungen an der bestehenden Heizungsanlage vorgenommen werden. Nebenbei stellte die Besitzerin fest, dass nach dem Gesetz 95 % der CO2-Kosten in dem von ihr vermieteten Haus an ihr hängen bleiben.

Ein hydraulischer Abgleich in den Wohnungen sollte dafür sorgen, dass dieser Betrag zur Beheizung insgesamt kleiner wird.

Zusätzlich sollten neue Thermostatköpfe per App programmiert werden können und über das WLAN des jeweiligen Mieters steuerbar sein. Das Haus sollte nach dieser Maßnahme insgesamt günstiger beheizbar sein, was durch eine niedrigere Vorlauftemperatur in dem dann abgeglichen System möglich werden kann.

Auf den eigenen Komfort sollten die Mieter nicht verzichten müssen.

Es war also der Vorschlag, dass die Wohnräume in Abwesenheit der Mieter auf nur noch 15 °C Innentemperatur abgesenkt werden konnten und kurz vor Feierabend der Mieter wieder digital aufdrehten.

Die empfohlene Nachtabsenkung mit den smarten Thermostatköpfen könnte weitere Spareffekte liefern. Diese beiden Effekte, also das Absenken in Abwesenheit und die Einhaltung der Nachtabsenkung, liegen dabei komplett im Hoheitsgebiet der Mieter.

Hardwareseitig war der hydraulische Abgleich eine klimafreundliche Maßnahme. Softwaregesteuert konnte jeder Mieter sehr bequem mittels überschaubarer Programmierkenntnisse und per App sein eigenes Klimaglück ­beeinflussen. Neben Energieressourcen sollte auf diese Weise und auf lange Sicht auch der eigene Geldbeutel der Vermieterin und der Mieter geschont werden.

Was die Modernisierungsmaßnahmen gebracht haben

Hat die neue Spartechnik wirklich etwas gebracht?

Bild: REMINDFILMS – stock.adobe.com

Hat die neue Spartechnik wirklich etwas gebracht?

Im Jahr 2020, vor dieser Modernisierungsmaßnahme, wurden 5.000 Kubikmeter Gas eingekauft. Der Preis dafür wurde auf die Mieter umgelegt.

Am Ende des Jahres 2021 und nach Durchführung der Maßnahmen waren es immer noch satte 4980 m3 also 20 m3 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Die Hausbesitzerin wandte sich leicht gereizt an ihren Handwerker. Dieser hatte ihr den hydraulischen Abgleich durchgeführt, die neuen Köpfe verkauft und insgesamt Einsparungen vorausgesagt. War Madame zu Recht pikiert? Hatte man ihr und ihren Mietern Geld und Zeit gestohlen für überflüssigen Schnickschnack?

Das wurde tatsächlich gespart

In absoluten Zahlen ist der Verbrauch ja tatsächlich nur um läppische 0,4 % gesunken.

100 % – ((4.980/5.000) x 100 %) = 0,4 %

Überprüft man die Daten aber temperaturbereinigt und mittels GTZ, ändert sich das Bild objektiv.

Die Abschätzung mittels GTZ klärt, wie der Verbrauch angestiegen wäre ohne die Maßnahmen. Für das Jahr 2020 konnte für Werne eine Gradtagszahl von 2953 K/d ermittelt werden und für das Jahr 2021 eine Gradtagszahl von 3348 K/d. Damit steht schon mal fest, dass das Jahr 2021 insgesamt kühler war als 2020.

Gegeben:

HEVbek = 5000 m³

GTZprog = 3348 Kd

GTZbek = 2953 Kd

und eingesetzt

Mit der Altanlage hätte das Gebäude voraussichtlich 5669 Kubikmeter Gas verbraucht. Setzt man nun den tatsächlichen Verbrauch (4980 m3) zum prognostizierten Verbrauch (5669 m3) ins Verhältnis, so ergibt sich eine Einsparung, trotz der absolut nur sehr kärglichen Verringerung des Gasverbrauchs von 20 m3 also 0,4 %.

Die Einsparung betrug also effektiv 12 % und ist damit als Erfolg zu werten. Und da die Zahlen neutral ermittelt wurden, kann die Hausherrin diese auch beruhigt glauben und sollte wieder ruhig schlafen. Der bloße Hinweis des Heizungsbauers auf ein kaltes Jahr 2021 hätte sicherlich nicht diesen gewünschten Eindruck hinterlassen.

Auch der Monatsverbrauch kann ermittelt werden

Da die Gradtagszahlen monatlich zusammengefasst und aufgestellt werden, kann anhand der Daten auch der wahrscheinliche Verbrauch des jeweiligen Monats ermittelt werden.

Wenn also die Heizkosten einer Wohnung bei 1.000 Euro pro Jahr liegen, so kann man anhand der Monatsdaten zur Gradtagszahl die jeweiligen Anteile errechnen. Hierzu wendet man einfach den berühmten Dreisatz an.

Beispiel:

In einer der Wohnungen der Hausbesitzerin fallen am Jahresende 2021 Kosten an. Welcher Anteil der Heizkosten fällt auf den Monat Dezember, wenn die Jahresrechnung 1000 Euro beträgt?

GTZ für das gesamte Jahr = 3348 Kd

GTZ für Dezember = 472 Kd

Dreisatz:

Auszug aus der kostenlosen Excel-Tabelle des IWU mit den Gradtagszahlen des Deutschen Wetterdienstes.

IBH

Auszug aus der kostenlosen Excel-Tabelle des IWU mit den Gradtagszahlen des Deutschen Wetterdienstes.

Mit Gradtagszahlen Energieverbräuche ins Verhältnis setzen

Man kann Gradtagszahlen sicherlich noch für viele Bereiche heranziehen, in denen Energieverbräuche ins Verhältnis zu den jeweiligen Wetterdaten gesetzt werden. Das ist nicht nur aufschlussreich, sondern kann handfeste Streitereien verhindern. Man sollte aber auch bedenken, dass die GTZ nur die Temperaturverhältnisse berücksichtigt. Sturmesbrausen, als weiterer möglicher Faktor beim Heizenergieverbrauch, fließt in die Betrachtung beispielsweise nicht mit ein. Und das Heizverhalten der Bewohner kann sich natürlich auch verändern. Ein aussagefähiger Trend kann mittels GTZ aber auf jeden Fall aufgezeigt werden.

Zukünftig werden sich verstärkt neue Heizsysteme an den jeweiligen Vorgängern messen lassen müssen. Speziell konkurrieren in den Bestandsgebäuden moderne Wärmepumpen mit den Vorgängern, also häufig mit Brennwertkesseln.

Kunden vergleichen dann gerne Äpfel mit Birnen. Nicht selten höre ich den sicherlich nicht böse gemeinten Satz: „Da habe ich ja mit meinem alten Kessel sparsamer geheizt als mit dieser modernen Wärmepumpe.“

Zuerst einmal müssen zum Vergleich nicht die Kosten, sondern die gelieferte Wärmeenergie verglichen werden. Also bitte nicht Euros für die ehemals verheizte Gasmenge den Euros für den neuen Stromverbrauch gegenüberstellen. Und dann sollte man noch gucken, ob die Witterung der verglichenen Jahre ähnlich war. In solchen Fällen erscheint es mir wenig hilfreich zu sein, als Fachmann den Satz fallen zu lassen: „Das war aber auch kalt im letzten Jahr.“

Besser man belegt mit Fakten, was in einer solchen Betrachtungsweise gerne zur Bewertung mittels Gradtagszahl führt.

Dieser Beitrag von Elmar Held ist zuerst im SBZ-Monteur 11-2023 unter dem Titel „Ein warmes Jahr?“ erschienen. ■

Download zum Thema

Das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) stellt kostenlos eine interessante Excel-Datei zur Verfügung.
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