Zur Erläuterung soll ein Beispiel gedanklich durchgesponnen werden:
Ein 15 Jahre altes Einfamilienhaus mit einer Heizlast von 10 kW wird mittels Wärmepumpe [WP] beheizt. Die WP ist zusätzlich mit einem elektrischen Heizstab ausgestattet. Sollte also die Leistung der WP nicht ausreichen, unterstützt der Heizstab zusätzlich. Der Punkt, an dem die Leistung der WP nicht mehr ausreicht und der Heizstab in Betrieb geht, wird als Bivalenzpunkt [BVP] bezeichnet. Hört sich erstmal logisch an, ist es auch, aber wir würden es im SBZ Monteur nicht aufgreifen, wenn damit sämtliche Zusammenhänge abgedeckt werden. Also folgt der nächste Ansatz.
Arten des bivalenten Betriebs
Man unterscheidet drei Arten des bivalenten Betriebs:
- alternativ
- parallel
- teilparallel
Bei dem alternativ-bivalenten Betrieb würde die WP ganz weggeschaltet und der Heizstab setzt allein seinen Betrieb fort.
Bei dem parallel-bivalenten Betrieb bleibt die WP eingeschaltet und der Heizstab unterstützt die WP.
Im teilparallelen Betrieb läuft die WP ab dem Bivalenzpunkt zusammen mit dem Heizstab und wird erst am Alternativpunkt ausgeschaltet.
Wozu der ganze Quatsch?
Warum unterwirft man eine WP den Regeln eines Bivalenzpunktes? Dazu kann man sich kurz Folgendes vorstellen:
Das Beispiel wird etwas konkreter gefasst und die Anlage soll als Luft-Wasser-WP in Betrieb gehen, welche die Heizkörper im Hause auf maximal 55 °C im Auslegungsfall erwärmt. Folgendes ist dann nachvollziehbar:
Im Herbst bei 10 °C Außentemperatur schnüffelt die Außeneinheit der WP eben diese 10-grädige Luft. Aus dieser warmen Luft einen Wärmegewinn zur ausreichenden Beheizung der Wohnräume zu erzielen, ist recht einfach. Einfach deshalb, weil heizungsseitig nicht viel verlangt wird, denn das Haus erfährt bei Außentemperaturen von 10 °C eine sehr geringe Auskühlung. Den Heizkörpern reichen vielleicht schon 35 °C als Vorlauftemperatur und die Bude wird warm. Die WP muss also durch die Kompressionsarbeit einen Temperaturhub von nur 25 Kelvin [K] erreichen. Dafür ist sie bestens gerüstet. Die Aggregate laufen mit hervorragender Leichtigkeit, großer Leistung und vor allem hoher Effizienz.
Anders sieht es bei einer Außentemperatur von –10 °C aus. Die WP zieht dann eisige Luft durch die Außeneinheit. Schlimmer noch, sie muss aus diesem tiefen Temperaturtal sehr hohe Vorlauftemperaturen erzeugen. Das Haus gibt bei Außentemperaturen von –10 °C nämlich sehr viel mehr Wärme ab und dies bedingt, dass die Heizkörper vielleicht gierig 55 °C anfordern. Der Temperaturhub beträgt dann satte 65 K. Unter diesen Bedingungen knicken die Leistung und Effizienz der WP ein. Diese Abhängigkeiten sind logisch erklärbar und gelten für sämtliche Hersteller von WP.
Bei niedrigen Außentemperaturen müssen also zwangsläufig die Leistung und die Vorlauftemperatur höher sein als bei hohen Außentemperaturen. Schaut man sich aber das echte Leistungsverhalten einer WP im dargestellten Auslegungsdiagramm an, so verläuft dies genau konträr zu den Anforderungen, nämlich mit hoher Leistung an lauen Tagen und geringer Leistung bei Eiseskälte. Wenn die Leistung der WP einbricht und daher nicht mehr ausreicht, kann man also nur dann eine warme Hütte bekommen, wenn man anderweitig, sprich bivalent, unterstützt.
Auslegung des Punktes
Zur Festlegung des Bivalenzpunktes benötigen wir noch ein paar Angaben zu dem Beispiel:
Das Haus soll bei einer Außentemperatur von –10 °C die besagte Heizlast von 10 kW aufweisen. Das 15 Jahre alte Haus ist mit Heizkörpern ausgestattet, die bisher mit einer Heizkurve von 1,2 ausreichend warm wurden. Mit diesen Angaben trägt man die Heizleistung in ein Auslegungsdiagramm für verschiedene WP ein. Im Beispiel für zwei Luft/Wasser WP von Vaillant sind die Leistungsverläufe für eine 7-kW- und eine 9-kW-Wärmepumpe eingezeichnet. Die Maximaltemperatur ist mit 55 °C festgelegt und der Leistungsverlauf ist damit gekennzeichnet.
Bei niedrigerer Vorlauftemperatur, etwa für eine Fußbodenheizung, ist die jeweilige Leistungsausbeute der beiden WP etwas höher. Die erste Linie zeigt bei –10 °C (x-Achse) auf die 10 kW (y-Achse), markiert als Punkt A. Von diesem Treffpunkt –10 °C/10 kW kann dann eine gerade Verbindung zum Punkt 20 °C/0 kW gezogen werden, denn die Heizlast würde bei 20 °C tatsächlich gegen Null gehen (außer vielleicht in einem Bad mit gewünschter Innentemperatur von 24 °C). Da, wo die Linie des Heizlastbedarfs die Linie der Wärmeleistung der WP schneidet, reicht die Leistung der Pumpe so eben noch aus.
Weise Voraussagung:
Die 7-er WP könnte das Haus allein nur bis ca. 0 °C erwärmen. Die 9-er würde bis ca. –5 °C ausreichen, jeweils bezogen auf die Leistung als Grenzwert. Beiden Pumpen würde man also gestatten, bei sehr tiefen Außentemperaturen einen elektrischen Heizstab zuzuschalten. Allerdings muss noch kontrolliert werden, ab welcher Außentemperatur die Heizkörper die Maximaltemperatur von 55 °C von der Wärmepumpe fordern. Laut Heizkurve werden die 55 °C bereits bei –3 °C von den Heizkörpern verlangt. Die Leistung der WP wäre an dieser Stelle zwar noch auskömmlich, die notwendigen Temperaturen würden allerdings nur noch so gerade eben erreicht. Bei weiter sinkenden Temperaturen klappt es nicht mehr und der Heizstab müsste zugeschaltet werden. Dieser Punkt liegt bei einer Außentemperatur von –3 °C und stellt den gesuchten Bivalenzpunkt dar.
Nochmals und zur Erinnerung: Die WP muss an diesem Punkt praktisch weiterhin 55 °C in den Vorlauf der Heizkörper schicken, die Umweltenergie, also die eiseskalte Luft, erfordert aber eine enorme Temperaturanhebung für den Prozess der WP. Dabei wird die für diese Umgebungstemperatur notwendige Vorlauftemperatur für die Heizkörper des Hauses nicht mehr erreicht. Hilfe ist notwendig und wird vom Heizstab erbracht.
Spaßeshalber könnte man noch der 7-er WP einen Bivalenzpunkt zuordnen, gewissermaßen als Kontrolle für die verstandenen Zusammenhänge. Die 7-er würde aufgrund der Leistung bei ca. –1 °C an die Grenze stoßen. Damit steigt diese dann doch wohl zu häufig auf Heizstabunterstützung um und wäre derzeit nicht wirtschaftlich einsetzbar.
Ist das nicht schrecklich?
Da ist es bitterkalt, im Falle des hier ermittelten Bivalenzpunktes bei –3°C und dann fängt der Hausherr auch noch an, zusätzlich mit Strom zu heizen. Das hört sich im ersten Moment an wie pure Verschwendung von Ressourcen und Geld. Geht man jedoch ins Detail, so wird klar, dass man hier nicht zwingend von Verschwendung sprechen muss. Es sind nur wenige Tage im Jahr, die eine Temperatur unter dem hier gewählten BVP erreichen. Man kann die Witterungsverhältnisse zwar nicht in dem hier gezeigten Auslegungsdiagramm ablesen. Aber die Wetterdaten für Orte in Deutschland lassen sich recherchieren. Tatsächlich sagt die Prognose, dass dann noch ca. 6 Heiztage im Jahr übrigbleiben, an denen der Heizstab unterstützend eingreifen müsste. Es verbleiben also 359 Tage ohne Heizstab, also über 98 Prozent. Die Heizleistung der Wärmepumpe an der sogenannten Jahresheizarbeit liegt für diese Anlage in dieser Konstellation laut Hersteller bei über 95 Prozent.