Eine Heizungsanlage steht ständig unter Erfolgsdruck. Bei abnehmenden Außentemperaturen muss diese nämlich immer höhere Leistungen und Vorlauftemperaturen erzeugen. Das kann zum Kollaps führen.
Aber welcher Hersteller von Wärmeerzeugern bescheinigt seinem Aggregat schon gerne, dass sein Produkt zu irgendeinem Temperaturereignis das Handtuch schmeißt und Hilfe benötigt? Lieber verkleidet man diese Schwäche mit einem technischen Ausdruck, dem Bivalenzpunkt. Der hört sich dann schon wieder eher wie ein Vorteil an nach dem Motto; „Meine Anlage arbeitet sogar mit einem Bivalenzpunkt!“ Aber, was steckt genau dahinter und welche Auswirkungen hat dieser Bivalenzpunkt für die Anlage?
Klassiker mit Bivalenzpunkt
Sehr häufig trifft man den Ausdruck des Bivalenzpunktes im Zusammenhang mit Luft-Wasser-Wärmepumpen. Diese nutzen ja bekannterweise die Außenluft als Energiequelle. In der Übergangszeit, also Herbst oder Frühling, sind diese Geräte damit beschäftigt die lauen Außenlufttemperaturen von vielleicht +5°C auf eine ausreichende Vorlauftemperatur von vielleicht 30 °C zu katapultieren. Und diese Vorlauftemperatur muss naturgemäß nicht besonders hoch ausfallen. Klar, denn das zu erwärmende Gebäude gibt bei +5°C noch nicht sehr viel Wärmeenergie ab. Dies ergibt eine komfortable Situation für die Wärmepumpe, hat sie doch unter diesen Umständen nur einen sehr geringen Temperaturhub zu bewältigen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn es knackig kalt ist. Bei -10°C wird das Häuschen bereits kräftig ausgekühlt. Innerhalb der Gebäudehülle bedarf es dann schon einer höheren Vorlauftemperatur von vielleicht 40°C. Die Wärmepumpe bekommt aber unter diesen Umständen nur eiskalte Luft angeboten. In der Folge muss der Temperaturhub der Wärmepumpe deutlich kräftiger ausfallen. Das ist alles andere als optimal und führt, je nach Aufbau und Auslegung der Wärmepumpe, an die Grenzen oder überschreitet diese bereits. Die ansonsten ausreichende Leistung des Aggregats geht in die Knie und Hilfe von außen wird notwendig. Diese Hilfe setzt ein am so genannten Bivalenzpunkt. Bivalenz setzt sich zusammen aus den Worten „bi“ für zwei und „valenz“ für Stärke oder Kraft. Also wäre Zweitkraftpunkt eine sinnige Übersetzung.
Festlegung
Während also die Heizlast eines Gebäudes bei sinkender Außentemperatur kontinuierlich zunimmt, sinkt gleichzeitig die Leistung der Wärmepumpe. Das Überangebot an Leistung bei milden Temperaturen schrumpft immer weiter und ab einer gewissen Temperatur stimmt Leistung und Angebot genau überein. Das ist der Bivalenzpunkt. In der Grafik 1 ist die Heizleistung von zwei Wärmepumpen (WP 1 und WP 2) aufgetragen. Für WP 1 liegt der Bivalenzpunkt bei -5°C und für WP 2 bei knapp unter -8°C. Würde man die WP 1 einbauen, so ist die notwendige Zusatzleistung bei -16°C eingetragen und liegt dann bei fünf Kilowatt Leistung. Die Empfehlung der Wärmepumpenhersteller geht dahin, den Bivalenzpunkt in etwa bei -5°C festzulegen. In der dargestellten Grafik sieht man, dass es auch anders geht also noch tiefer geht. Nachteilig wird dann aber der höhere Preis für die leistungsfähigere Wärmepumpe und die enorme Überkapazität im Frühling und Herbst. Man erkennt sehr gut, dann ist der Bedarf am geringsten, die Leistung am höchsten. Dann muss man aufwendig puffern um die Wärmepumpe nicht ins takten, also in den ständigen An- Ausbetrieb zu bringen.
Jenseits des Bivalenzpunktes
Zwei Betriebsweisen werden bei Temperaturen unterhalb des Bivalenzpunktes angewendet. Entweder man begleitet die Wärmepumpe bei der Beheizung, als so genannten Parallelbetrieb oder man setzt gänzlich auf einen anderen Wärmeerzeuger, als alternativen Betrieb. Auch bei der eingesetzten Energieart für die Zusatzheizung unterscheidet man nochmals. Wird die Wärmepumpe beispielsweise mittels elektrischen Heizstabs unterstützt, so kommt jeweils der Strom als treibende Energie zum Einsatz. Das ist dann ein monoenergetischer Betrieb. Wird stattdessen unterhalb des Bivalenzpunktes ein Gaskessel in Betrieb genommen, so ist der alternative Betrieb mittels einer weiteren Energieform erfolgt. Diese Betriebsart wird jedoch nicht als Bi-Energetisch bezeichnet, wie man meinen könnte. Übrigens sinken die Außentemperaturen nur an sehr wenigen Tagen dauerhaft unter -5°C. Gerade mal an 10 Tagen im Jahr soll es statistisch vorkommen und das macht dann das macht dann weniger als drei Prozent des Jahres aus. So schlimm ist es also nicht.