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Brandschutz in der Haustechnik Teil III

Inhalt

Eine heiße Sache
einer Lastenkette, die bei den Rohrleitungsbefestigungen auch im Brandfall stimmen muss und von kleinen Gewindestangen, die rechnerisch für den Brandschutz zu Monstern werden müssen, war im zweiten Teil dieses Beitrages die Rede.

Wenn es brennt muss aber nicht nur die Rohrbefestigung halten. Es muss auch einkalkuliert sein, dass sich eine Rohrleitung im Brandfall hitzebedingt ausdehnt. Dehnungsmöglichkeiten mit ausreichendem Spielraum müssen errechnet und eingeplant werden.

Mit der Lok vor die Wand?
Was würde passieren, wenn sich ein Rohr im Brandfall ausdehnt und dabei gegen eine Wand drückt? Welche maximale Druckkraft könnte eine Rohrleitung DN 200 erzeugen? Besteht die Möglichkeit, dass die Ausdehnung eines Rohres eine Wand zum Einsturz bringt? Die Antworten auf diese Fragen findet man rechnerisch: Die maximale Druckkraft errechnet sich für den Idealfall unter der Annahme, dass die gesamte Rohrquerschnittsfläche mit maximaler Kraft gegen die Wand wirkt. Die Querschnittsfläche kann jeder selbst ermitteln (Berechnung eines Kreisringes) oder in einem Tabellenbuch für Rohrleitungen nachschauen.

Als Spannung setzen wir in die Berechnung die Streckgrenze des Rohrwerkstoffes ein (für Baustahl S235JR gilt beispielsweise 235 N/mm2), denn ab diesem Moment käme es im Rohr durch Pressung zu bleibender Verformung. Wenn die Wand standhält, könnte dieser Fall tatsächlich eintreten – oder die Wand gibt nach‑... vielleicht ist sie ja klüger als das Rohr? Mit folgender Formel kommt man der Sache auf die Spur:

Die Druckkraft, die das Rohr entwickelt, beträgt also fast 1 MN (Meganewton). Das ist mehr als das Gewicht einer Diesellokomotive. Und was passieren würde, wenn eine Lok vor eine halbsteinige Wand rollt, muss ja nicht weiter ausgeführt werden.

In der Praxis weniger schlimm
Gerade deshalb ist es so wichtig, Rohrleitungen mit etwas Abstand vor einer Wand in ihrer Richtung umzulenken, damit durch diese thermische Längenänderung die Standsicherheit des Bauwerkes nicht gefährdet wird. Erreicht das Rohr durch Ausdehnung die Wand, entstehen fast unglaubliche Kräfte.

Um den Wänden etwas die Angst zu nehmen sei aber bemerkt, dass sich eine Wärmedämmung natürlich zusammendrücken würde. Und da die Rohrleitungen mit der Außenschicht der Dämmung nicht die Wände berühren, ergibt sich so ein für die Wand möglicherweise rettender Platz. Leitungen ohne weiche Dämmungen – wie z.B. Gasleitungen – bieten solche „Knautsch­zonen“ nicht. In der Praxis ist das alles nun nicht ganz so schlimm, denn eine Rohrleitung nutzt natürlich auch ihre Freiheitsgrade, um sich zunächst „nur“ zu verbiegen. Die Kraft, die entsteht, wirkt also nicht vollständig auf die Wand. Außerdem müssen auch die Parameter der Formel aus Sicht des Temperaturanstiegs nä­her unter die ­Lupe genommen werden: Während die Querschnittsfläche erhalten bleibt, wird mit zunehmender Erwärmung die Streckgrenze in jedem Fall abnehmen. Man könnte auch sagen, die Rohrleitung wird mit steigender Temperatur immer weicher.

Über 300 °C das Aus für Baustahl
Wie die Tabelle mit der Zuordnung von Werkstofftemperatur und Streckgrenze eindrucksvoll zeigt, vermindert sich die Festigkeit von Stahl unter Einwirkung hoher Temperaturen rasch. Für den Werkstoff S235JR fehlen über 300 °C die Werte gänzlich.

Nicht etwa, weil man das nicht ermitteln könnte, sondern weil Baustahl unter diesen Bedingungen nicht mehr eingesetzt werden sollte. Die Tabelle zeigt aber auch Lösungen für höhere Temperaturen: Man muss auf den viel teureren rostfreien Stahl  ausweichen. Auch dieser erreicht je nach Legierung bei etwa 500 °C seine Grenze und nur sehr wenige Stahlsorten (sogenannte hochwarm­feste Stähle) sind noch höher belastbar [1] [2]. Das Ergebnis der Kraftermittlung würde bei einer Berechnung mit verringerter Streckgrenze dann natürlich auch weniger schlimm ausfallen. Wie die Streckgrenze vermindert sich in geringerem Maße auch der E-Modul (Elastizitätsmodul) als weitere Werkstoffkenngröße. Für die Dimensionierung brandschutzgerechter Rohrbefestigungen ist es notwendig, neben der Auswahl geeigneter Rohrschellen auch

  • die richtige Ankerwahl (in der Regel mit Brandschutzgutachten) zu treffen
  • die Größe des erforderlichen Gewindestabes korrekt zu ermitteln und
  • den zulässigen Stützabstand richtig festzulegen.

Gewindestäbe sind beispielgebend
Während für den Eignungsnachweis eines Ankers üblicherweise ein Brandschutzgutachten dient, wird ein vergleichbares Gutachten für Gewindestäbe nicht gefordert, denn Gewindestäbe sind genormt. Ist ein Produkt normgerecht, kann man sich auf seine genormten Para­meter (Geometrie und/oder Werkstoffkennwerte) auch verlassen. Was wäre sonst auch eine solche Normung wert? Wenn man nun aus Versuchen ein geeignetes Modell zur Berechnung dieser Situationen ableiten konnte, kann man sich künftige Versuche sparen: Das Rechnen wird dann zur vernünftigeren und auch zur güns­tigeren Methode. Für Gewindestäbe basiert die Ermittlung zulässiger Spannungswerte bereits auf Experimenten der 70er Jahre.


Aus diesen Versuchen wurde für Schrauben der Güteklasse 4.6 ­eine zulässige Scherspannung von 15 N/mm2 (für F 30 und F 60) bzw. 10 N/mm2 (für F 90 und F 120) ermittelt. Diese Werte bilden beispielsweise die Randbedingungen zur Dimensionierung von Kabeltragsystemen. Für zugbelastete Gewindestäbe wurden im Kommentar zur MLAR [3] folgerichtig ebenfalls maximal zulässige Spannungswerte (Fzul) definiert. Multipliziert man diese mit dem Spannungsquerschnitt (As) (diese Fläche entsteht quasi beim Zersägen) eines Gewindestabes, ergibt sich dessen zulässige Zugbelastung (Fzul):

Da die letzten Fachbeiträge die über drei Wochen erschienen sind gezeigt haben, dass konkrete Werte der zulässigen Belastbarkeit von Gewindestäben sowohl unter Normalbedingungen (20°C) als und auch unter Brandschutzbedingungen (F 30 bis F 120) von allgemeinem Interesse sind, wurden diese Ergebnisse in der Tabelle zusammengestellt.

Selbstschneidender Anker
Wie auch bei Ankern dürfen die Belastungswerte für den Brandfall auch hier auf gleichartige Produkte aus VA übertragen werden. Beispielhaft für diese Aussage sei das Gutachten für Multi-Monti-Anker [4] genannt, die sich zeitsparend bei relativ kleinem Bohrloch während der Montage ihren Gewindegang im Beton selbst schneiden. Begründet ist dies durch eine langsamere Verminderung der Streckgrenze von VA im Vergleich zum Baustahl, wie aus der anfangs dargestellten Tabelle für tem­pe­ra­tur­abhängige Streckgrenzwerte hervorgeht.

Der Beitrag hat insbesondere gezeigt, dass bei der Auslegung von Befestigungs-Konstruktionen unter Berücksichtigung
einer bestimmten Feuerwider­stands­klasse heute schon Gewindestäbe und Rohrschellen nach den vorhandenen Lastwerten vom Planer fachgerecht dimensioniert werden können. Das Ziel künftiger Untersuchungen wird nun darin bestehen, das Verhalten weiterer Komponenten und/oder Baugruppen von Befestigungs­sys­te­men unter Brandbedingungen zu analysieren, um verallgemeinerbare Aussagen oder sogar Algorithmen (das sind Rechenvorgänge, die immer nach einem bestimmten Schema ablaufen) zur rechnergestützten Dimensionierung abzuleiten. Schließlich muss sichergestellt sein, dass eine Rohrleitung im Bereich von Flucht- oder Rettungswegen auch im Brandfall da bleibt, wo sie hingehört: nämlich an der Wand oder an der Decke ... und zwar mindestens so lange, wie der Planer für eine eventuelle Evakuierung dieses Gebäudes veranschlagt hat.

Literaturnachweis:

[1] Sikla-Montagetechnik, 2003-08 (kostenloser Bezug über Sikla GmbH, siehe auch elektronischer Katalog im Internet)
[2] Stahlschlüssel, Verlag Stahlschlüssel Wegst GmbH, Marbach, 2004
[3] Lippe, M.; Wesche, J.: Kommentar und Anwendungsempfehlung zur MLAR, 2000
[4] Prüfung auf Brandverhalten zur Ermittlung der Feuerwiderstandsdauer für HECO-Multi-Monti-Schraubenanker, Beiblatt zum Untersuchungsbericht Nr. 3815/0592, MPA Braunschweig, 2002-12
[5] Helmhardt, Wolff Freiherr von Hohberg: Georgica Curiosa Aucta, hauswirtschaftliches Lehrbuch, 1701

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