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Brandschutz in der Haustechnik – Teil II – Eine heiße ­Sache

Inhalt

Rohrleitungen müssen in Gebäuden und Anlagen bestimmte funktionelle Aufgaben erfüllen: hauptsächlich Stoff- und/ oder Energietransport über zum Teil große Strecken.

Dazu müssen sie durch Wände und/oder Decken geführt werden. Und genau dies unterscheidet sie in brandschutztechnischer Hinsicht grundsätzlich von ihren Befestigungen: Ganz im Gegensatz zu Rohrleitungen durchdringen die Rohrleitungsbefestigungen in der Regel keine Brandabschnitte.

Düsseldorf war eine Lehre
Die Tragödie beim Brand des Düsseldorfer Flughafens 1996 hat deutlich gezeigt, welche gefährlichen Auswirkungen der Einsatz brennbarer Rohrleitungen, wie zum Beispiel solcher aus PVC, haben kann, die im Brandfall toxische Rauchgase entwickeln. PVC heißt Polyvinylchlorid, es enthält also Chlor. In der Musterbauordnung (MBO) [1] und in der ­Mus­ter-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) [2] wurden deshalb Regeln zum brandschutzgerechten Bauen mit dem Ziel definiert, ­eine Wiederholung solcher Ereignisse in Zukunft zuverlässig zu verhindern. So wurde der Einsatz brennbarer Rohrleitungen in Rettungswegen eingeschränkt und mit zusätzlichen Auflagen verbunden.

In Rettungswegen dürfen Leitungsanlagen (Elektroleitungen und/ oder Rohrleitungen) nur noch angeordnet werden, wenn sie der unmittelbaren Versorgung dieser Räume oder der Brandbekämpfung dienen und Bedenken wegen des Brandschutzes nicht bestehen. Um diese eher juristische Aussage durch technische Regeln zu untermauern, wurde aus dieser Sicht zur Ergänzung der MLAR ein Kommentar [3] verfasst, in dem einzuhaltende Randbedingungen konkret geregelt sind. Am Beispiel einer Rohrhalterung wird in diesem Beitrag darauf noch näher eingegangen.

Brandabschnitte ­„versiegeln”
Brennbare Rohrleitungen dürfen in Rettungswegen deshalb beispielsweise nur mit geprüften Brandschotts im Bereich der Durch­führung durch brandschutzrelevante Wände und/oder De­c­ken verlegt werden. Dafür werden heute innovative Brandschotts verwendet, bei denen es durch die Temperaturerhöhung im Brandfall quasi automatisch zur Auslösung einer chemischen Reaktion kommt: Bei einer Temperatur von ca. 200 °C führt die einsetzende Kettenreaktion blitzartig zu so kräftiger Aufschäumung, dass sich das Volumen etwa um den Faktor 20 vervielfacht. Somit wird der Durchlass in Sekundenschnelle versperrt und damit die weitere Ausbreitung eines Brandherdes verhindert. Bei der Festlegung der Rohrachsen muss der Planer deshalb noch weiter als früher vorausdenken, denn diese Brandschotts benötigen auch entsprechenden Platz.

Installationen über selbstständigen Unterdecken
Da laut MLAR in Rettungswegen keine bzw. nur die vorgenannten Brandlasten zulässig sind, müssen alle anderen Leitungen vom Rettungsweg räumlich getrennt werden. Zur Erfüllung der gesetzlichen Forderungen muss in diesem Fall oberhalb dieser Rettungs­wege ein separater Brandabschnitt durch den Einbau einer selbstständigen Unterdecke geschaffen werden. Diese selbstständige Unterdecke muss dafür eine Zulassung für ­eine bestimmte Feuerwiderstands­klasse (zum Beispiel F90) besitzen.

Ihre Aufgabe besteht darin, während dieser Zeit (eben der 90 Minuten) die Ausbreitung eines Feuers in beiden Richtungen zuverlässig zu verhindern. Hierbei ist darauf zu achten, diese selbstständige Unterdecke separat in der Rohdecke zu verankern und nicht an den Montageschienen für Leitungsanlagen zu befestigen. Unterdecken selbst dürfen durch herabfallende Leitungen mechanisch nicht belastet werden. Deshalb sind besondere Forderungen hinsichtlich der brandsicheren Befestigung der im Bereich zwischen selbstständiger Unterdecke und Rohdecke verlegten Leitungen einzuhalten.

Die Lastkette muss ­stimmen
Da im Brandfall Wärme sehr schnell nach oben steigt und dadurch die Festigkeitseigenschaften von Baustahl rasch abnehmen, müssen alle Befestigungen im Deckenbereich unter diesem Aspekt dimensioniert werden. Brandsicherheit bedeutet, Bauteile immer unter der Einwirkung von Feuer zu beurteilen.

Im ersten Teil dieses Beitrages stand die ­Sicherheit einer Rohrleitungsbefestigung mittels einer Gewindestange zur Diskussion. Was passiert im Brandfall mit den Komponenten einer Rohrbefestigung? Um eine Antwort zu finden, muss die Lastkette Anker – Gewindestange – Rohrschelle untersucht werden:

  1. Anker sollten ein Prüfzeugnis besitzen, aus dem die zulässige Last bei Brandbeanspruchung und zugeordnete Feuerwiderstandsdauer hervorgehen. Andernfalls gilt bei doppelter Setztiefe (mindestens jedoch 60 mm) eine Lastgrenze von 500 N.
  2. Für Normteile, wie Gewindestäbe, sind Prüfzeugnisse noch unüblich. Klar ist aber, dass sich der Gewindestab infolge Erwärmung ausdehnen wird. Sinkende Werte für Streckgrenze und Elas­tizitäts-Modul (kurz: E-Modul) bedeuten bei gleich bleibendem Rohrgewicht natürlich ebenso ­eine Verlängerung des Gewindestabes.
  3. Auch die Rohrschelle ist nach einiger Zeit „nicht mehr ganz in Form”: Aus dem Konstruktionskreis beider Schellenteile wird insbesondere durch Verformung des oberen Schellenteils eine „Birne”, wie ein Brandversuch eindrucksvoll zeigt.

Nur noch 1,2 m im Brandfall
Die Betrachtung der Lastkette in ihrer Gesamtheit ergibt auf den ersten Blick zwei Aspekte, die eigentlich selbstverständlich erscheinen:
a) Der Funktionserhalt jeder Komponente muss gegeben sein und setzt eine brandschutzgerechte Konstruktion voraus. Die von innen mit Bund durchgesteckte und verschweißte Sicherheitsmutter ist deshalb ein kennzeichnendes Merkmal der Sikla-Rohrschelle Stabil D-3G. [5]


b) Die Summe aller vertikalen Verformungen darf die selbstständige Unterdecke nicht gefährden.
Die Praxis macht bezüglich Punkt b) eine Betrachtung aber schon schwieriger, da im Brandfall unterschiedliche Abhängehöhen das Maß hF und verschiedene Rohrdimensionen das Maß sF beeinflussen. Diese Randbedingungen wurden für Standardbefestigungen mit der Rohrschelle Stabil D-3G an der MPA in Braunschweig untersucht und in einem Prüfbericht [6] mit folgenden Zielen zusammengefasst:

  •  Einstufung der Rohrschelle Stabil D-3G bis zur Feuerwiderstandsdauer F 120 mit Angabe der zulässigen Last im Brandfall
  •  Ermittlung des notwendigen Mindestabstandes min a zwischen Unterkante Rohrschelle und Oberkante der selbstständigen Unterdecke.

Gegenüber Normalbedingungen reduziert sich für eine Rohrschelle Stabil D-3G, Größe 4 Zoll, bei einer Auslegung für den Brandfall (F120) die zulässige Last beispielsweise von 5,0 kN auf nur noch 0,4 kN. [6] Die normalerweise zulässige Stütz­weite von 4,5m [5] reduziert sich damit auf 1,2 m (!) für ein gedämmtes Siederohr. Bei einer maximalen Abhängehöhe von 1000 mm werden für den Abstand min a nach unten im Prüfbericht mindestens 95 mm (!) empfohlen. [6]

Monster-Gewindestab für F 120?
Infolge fortschreitender Temperatureinwirkung auf einen Gewindestab wird deutlich, dass über die Oberfläche (im Querschnitt reduziert sich diese Betrachtung auf den Umfang) der tragende Kernquerschnitt ständig weiter abnimmt und nach 120 min vielleicht nur noch weniger als 4 % des vollen Querschnittes beträgt. Kehrt man diese Betrachtung um, ergibt sich daraus eine Auslegung zugbelasteter Gewindestangen für F 90 bis F 120, die nach dem Kommentar und der Anwendungsempfehlung zur MLAR [3] mit 6 N/mm2 durchzuführen ist. Für die Praxis bedeutet dies, dass aus ­kleinen Gewindestangen plötzlich Monster werden. Schon durch ihr Eigengewicht werden diese Konstruktionen plötzlich problematisch und stellen für Anwendungs­techniker neue Herausforderungen dar. Mit einer gesunden Mischung aus Ingenieurverstand und vorliegenden Prüfergebnissen müssen sie vielfach vernünftige Lösungen entwickeln, die den neuen Forderungen an brandschutzgerechtes Bauen gerecht werden.

Theorie & Praxis
Auch Dinge, die in Richtlinien noch nicht explizit geregelt sind, können Gefahren erzeugen. Leitungsabschnitte mit erheblicher Längssteifigkeit müssen beispielsweise so ausgeführt sein, dass durch die thermische Längenänderung keine Kräfte auf das Bauwerk wirken, die dessen Standsicherheit gefährden oder Brandschotts zerstören könnten. Was würde denn passieren, wenn sich ein Rohr im Brandfall übermäßig ausdehnt und dabei unerwartet eine Wand erreicht? Welche maximale Druckkraft könnte eine Rohrleitung DN 200 erzeugen?

Bevor die Wand (vielleicht) umfällt, knallt es zu Silvester... und die Lösung und weitere Beispiele für brandschutzgerechtes Bauen folgen nächstes Jahr im Teil 3 dieses Beitrages.

Literaturnachweis:
[1]  Musterbauordnung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland, 2002
[2]  Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen/kurz: Muster-­Leitunganlagen-Richtlinie (MLAR), DIBt, Berlin, 2000
[3]  Lippe, M.; Wesche, J.: Kommentar und Anwendungsempfehlung zur MLAR, 2000
[4]  Brockhaus-Kalender
„Was so nicht im Lexikon steht”, 2004
[5]  Sikla-Montagetechnik, 2003-08 (kostenloser Bezug über Sikla GmbH, siehe auch elektronischer Katalog im Internet)
[6]  Beiblatt zum Prüfbericht 3464/7082-1-CM, MPA Braunschweig, 2003

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