Wie nett er lächelte, dieser Öko-Freak mit seinen kreisrunden winzig kleinen Brillengläsern. Er hatte uns die Tür geöffnet und war voran gegangen in den Heizungskeller. Ein Uralt-Kessel aus den 80ern des letzten Jahrtausends wartete dort auf uns - älter als ich das Ding.
Der Schornsteinfeger hätte den Kessel beanstandet quetschte der Öko-Freak peinlich berührt aus seinem bartumwucherten Mund. Wahrscheinlich würde wieder mal zu viel von dem klimafeindlichen CO2 ausgestoßen zischte er, als hätte man ihn gezwungen die Heizung einzuschalten. Es sei ja auch nur das Haus seines Vermieters, sonst wäre ja sowieso schon lange eine Solaranlage auf dem Dach. Und in dem Kessel würdest du Kuhmist verbrennen wollte ich hinzufügen, was ich mir dann doch verkniff.
CO2 maximieren
Cheffe schaute kurz auf den Aufkleber vom Schorni und begann mit der Kesselwartung. Ich hatte nur Handreichungen zu machen und der Öko stand in dem winzigen Kellerraum auch noch rum und schnappte die ohnehin knappe frische Luft weg. Cheffe hatte einen Plan, das sah ich an seinem Grinsen. Und da setzte er auch schon an. Ja, wir würden den CO2-Wert schon wieder tüchtig in die Höhe treiben. Ein Wert von 10,9 % laut Messprotokoll des Schornsteinfegers sei natürlich viel zu gering. Durch unsere Bemühungen und die anschließende Einstellung würden danach locker wieder über 13 % CO2 erreicht. Ich dachte: Moment mal, der Öko wollte doch weniger CO2 ausstoßen und Cheffe provoziert ihn jetzt mit noch mehr CO2. Warum machte er dem Ahnungslosen das karge Leben eines Ökos noch schwerer. Der war doch als Vegetarier ohnehin schon am unteren Ende der Nahrungs- und Spaßkette. Cheffe hatte die Reinigung zügig fertig und Freak, wie ich ihn schon in meinen Gedanken nannte, schaute weiter argwöhnisch zu. Endlich konnte ich den Messkoffer öffnen, die Kondensatfalle einsetzen und das Gerät kalibrieren. Das Messgerät schnüffelte wie gewohnt vor sich hin. Cheffe hatte die ersten Einstellungen schon per Brenner Installationsanleitung vorgenommen und führte nun den Mess-Rüssel ins Abgasrohr. Triumphierend las er laut und deutlich vor, was das Messgerät anzeigte: 12; 12,5; 13,0 13,3. Freak verstand die Welt nicht mehr.
Weltklimaschmerzen
Dann endlich konnte er nicht mehr bei sich halten! Ob wir, als so genannte Fachleute, denn noch nie etwas von der globalen Erwärmung gehört hätten. Die sei doch durch zu viel CO2 entstanden? Ob wir denn nicht in der Lage wären, die Situation zu erkennen und zumindest für diesen Kessel die Emissionen vernünftig einzuregulieren? Statt CO2 zu maximieren wäre es doch wohl unsere Pflicht den Wert so weit wie möglich herabzusetzen! Die zukünftigen Generationen... -Cheffe unterbrach ihn. Die Zusammenhänge habe er wohl nicht richtig gedeutet, erklärte Cheffe dem überraschten Öko. Wenn man schon dieses Heizöl verbrennen will, dann auch vollständig. Der brennbare Kohlenstoffanteil in dem Öl sei gierig danach sich mit dem Luftsauerstoff zu vereinigen. Dabei würde die von uns geschätzte Wärme entstehen. Das sei eine exotherme Reaktion. Und je mehr CO2 entstehen würde, umso vollständiger sei die Verbrennung abgelaufen. Daher würde man bei jeder Verbrennung, egal ob Öl oder Gas, Maximalwerte anstreben. Wenn schon, denn schon! Wenn also das Heizöl verbrannt werden soll, dann aber auch mit maximalem Ergebnis. Es höre sich nur paradox an, einen Maximalwert für CO2 einzustellen, um so wenig wie möglich davon zu produzieren. Der Freak verließ daraufhin den engen Keller und kam später mit drei Tässchen Brennnesseltee zurück. Gute Arbeit, lobte er dann noch bei der Verabschiedung.
Stöchiometrie
Zurück im Betrieb und in unseren Sozialräumen, genannt Bude, angekommen, vertiefte Cheffe den Vortrag zu CO2 noch ein wenig. Die Vorgänge der Verbrennung lassen sich mittels der so genannten Stöchiometrie erklären. Dabei handelt es sich um Hilfsmittel der Mathematik welche dann den Verbrennungsprozess vorhersehbar machen. Bei der Verbrennung von Heizöl mit Luftsauerstoff betrachtet man nur die beteiligten Grundstoffe. Im Heizöl befindet sich als brennbarer Bestandteil der Kohlenstoff -C- und der Wasserstoff -H-. Um Sauerstoff -O- aus der Luft zu bekommen "kauft" man sich zwangsläufig immer auch Stickstoff -N- ein. Denn in der Luft befindet sich 21 % Sauerstoff und 79 % Stickstoff. Um einen Kubikmeter Sauerstoff zu bekommen kauft man gleichzeitig 3,76 Kubikmeter Stickstoff ein (79 / 21 = 3,76). Dieser Wert wird gleich noch gebraucht.
Bei der Verbrennung entsteht dann immer Kohlendioxid -CO2- und Wasser -H2O-. Diese Ereignisse fasst man ganz normal in einer Formel zusammen. Allgemein gilt dann zum Beispiel für Methan als Brennstoff, um es nicht ganz so kompliziert zu machen:
Methan plus Luft reagiert zu Kohlendioxid plus Wasser plus Stickstoff
Methan ist chemisch CH4
Sauerstoff ist O2
Stickstoff ist N2
Kohlendioxid ist CO2
Wasser ist H2O
CH4 + O2 + 3,76 N2 = CO2 + H2O + 3,76 N2
Bei einer Gleichung steht rechts und links das Gleiche, daher der sinnige Name, Gleichung. In der obenstehenden Gleichung ist das aber noch nicht der Fall. Zum Beispiel sind links vier Wasserstoffatome (H4) und rechts nur zwei (H2O). Man ergänzt also auf beiden Seiten solange, bis jeweils gleiche Anteile dort stehen.
CH4 + 2O2 + 2 x 3,76 N2 = CO2 + 2H2O + 2 x 3,76 N2
oder weiter gekürzt
CH4 + 2O2 + 7,52 N2 = CO2 + 2H2O + 7,52 N2
Dann steht dort nach ausgeklügelter Gleichung und wieder für den verbrennungstechnischen Laien aufbereitet:
Wenn 1 Kubikmeter Methan verbrannt werden soll, dann benötigt man dazu 2 Kubikmeter Sauerstoff. Den Sauerstoff kriegt man aber nur, wenn man 7,52 Kubikmeter Stickstoff einkauft. Als Verbrennungsprodukte entstehen dabei 1 Kubikmeter Kohlendioxid plus 2 Kubikmeter dampfförmiges Wasser plus 7,52 Kubikmeter Stickstoff. Und der Knaller ist, man kann für Methan als Brennstoff den maximalen CO2-Anteil im Abgas voraussagen.
Kondensatfalle
Cheffe lässt mich die letzten Rechnungen anstellen, wohl um mich zu prüfen. Ich addiere fleißig die errechneten Kubikmeter des gesamten Abgases.
CO2 | 2H2O | 7,52 N2 | Zusammen |
1 m³ | 2 m³ | 7,52 m³ | 10,52 m³ |
Cheffe hält mich kurz zurück und fragt, was ich vor dem Einschalten des Messgerätes getan habe. Ich erinnere mich an die Kondensatfalle und schnalle, was er meint. Ich muss das trockene Abgas berücksichtigen. Also addiere ich nochmals.
CO2 | 7,52 N2 | Zusammen |
1 m³ | 7,52 m³ | 8,52 m³ |
Dann teile ich 1 (Kubikmeter Kohlendioxid) durch 8,52 (Kubikmeter trockenes Abgas) und erhalte 0,117 also 11,7 % . Wir vergleichen mit dem Tabellenwert aus dem Fachbuch und sehen die Übereinstimmung. Durch reine mathematische Herleitung hat Cheffe mal eben die Maxwerte für CO2 im Abgas von Methan herausgefunden. Die realen Prozesse laufen nicht stöchiometrisch ab. In der Praxis wird etwas mehr Luft hinzugefügt als nach der Gleichung benötigt. Das erhöht dann die Abgasmenge, während die CO2-Menge gleich bleibt. Prozentual fällt das praktische Ergebnis für CO2-Anteile also immer geringer aus als nach der stöchiometrischen Gleichung.
Cheffe schreibt mir noch die chemische Formel auf, die der Zusammensetzung von Heizöl am nächsten kommt. Diese ist C25H52 Die stöchiometrische Gleichung solle ich alleine ausrechnen, er müsse andere Rechnungen schreiben und ein Angebot für einen neuen Kessel. Was für ein Job, was für ein Cheffe...