Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
WERBUNG
WERBUNG
WERBUNG

Bälle-Bad plus Stahlkugeln

Inhalt

Wie funktioniert eigentlich der Zug im Schornstein?

Eine geheimnisvolle Kraft transportiert seit Jahrtausenden Abgase jeder Feuerung irgendwie nach oben ...meistens jedenfalls. Handelt es sich um einen zufälligen Reflex der Natur oder stecken physikalische Gesetze dahinter?

Was treibt ihn an, den klassischen Schornstein...?
Was treibt ihn an, den klassischen Schornstein...?

Wer schon so fragt, der will natürlich auf die physikalischen Gesetze hinaus. Also, warum treiben sich erwärmte Gase und sogar deren feste Bestandteile, wie Ruß, von selbst in die Höhe? Wieso klappt das regelmäßig, aber nicht immer? Welchen Einfluss haben äußere Umstände auf diesen Vorgang?

Wenn Sie sich an das Prinzip des Schornsteinzugs erinnern wollen, lassen Sie 
gedanklich eine Eisenkugel ins Bälle-Bad fallen...
Wenn Sie sich an das Prinzip des Schornsteinzugs erinnern wollen, lassen Sie gedanklich eine Eisenkugel ins Bälle-Bad fallen...

Eine Schlichte Formel

Um den so genannten Schweredruck in Flüssigkeiten oder Gasen zu bestimmen, existiert eine leicht verständliche Formel:

p = hρg

  • p  als Druck in Pascal (Pa)
  • h  als Höhe für eine betrachtete Flüssigkeits- oder Gassäule in Meter (m)
  • ρ  (sprich rho) für die spezifische Dichte der betrachteten Flüssigkeits- oder Gassäule in Kilogramm pro                  Kubikmeter (kg/m³)
  • g  für die Beschleunigung in Meter pro Quadratsekunde (m/s²)

Also, sage mir, wie hoch eine Flüssigkeits- oder Gassäule ist, wie viel ein Kubikmeter dieser Säule wiegt und welche Erdbeschleunigung wirkt und ich sage dir, welcher Druck herrscht.

Als Wert der Beschleunigung wird meistens die Erdbeschleunigung von 9,81 m/s² angenommen.

Beispiel:

Welchen Druck übt eine zehn Meter hohe Luftsäule aus, bei einer angenommenen Dichte von 1,225 kg/m³?

Gesucht: p in Pa

h = 10 m

ρ = 1,225 kg/m

g = 9,81 kg/m³ (Erdbeschleunigung)

Eingesetzt in die Formel:

p = 10 m • 1,225 kg/m³ • 9,81 kg/m³

p = 120 Pa

Der Druck beträgt also rund 120 Pascal.

Der Wert für die in dem Beispiel angenommene Dichte gilt für Luft bei einer Temperatur von 15 °C. Würde man diese Luftsäule erwärmen, beispielsweise auf 30 °C, so würden sich die Luftmoleküle durch die intensivere Tanzbewegung voneinander entfernen. Das Gewicht pro Kubikmeter würde sich also verringern auf 1,1644 kg/m³. Der Druck dieser Luftsäule, ebenfalls gerechnet auf zehn Meter Höhe, würde sich verringern auf

p = 10 m • 1,1644 kg/m³ • 9,81 kg/m³

p = 114 Pa

Am Fuße der Zehnmeterröhre mit 15 °C herrscht also ein höherer Druck als bei einer Zehnmeterröhre mit 30 °C. Würde man beide Röhren miteinander verbinden, würde die "schwere" Luft von 15 °C die "leichte" Luft von 30 °C nach oben aus der Röhre herausdrücken. Wie ein Bälle-Bad mit hohlen und federleichten bunten Kugeln in das man schwere Stahlkugeln wirft. Die Stahlkugeln drücken die Bälle hinaus, weil sie schwerer sind. Antrieb ist die Druckdifferenz, also im Beispiel 120 Pa minus 114 Pa = 6 Pa.

Die Folgerungen

Dieser beschriebene Vorgang wird umgangssprachlich als Schornsteinzug bezeichnet. Der Hohlkörper, in dem erwärmte Luft aufsteigt, ist wie in dem beschriebenen Beispiel vorhanden und notwendig. Die zweite Röhre im Beispiel diente nur der Veranschaulichung. Denn wenn beide Röhren, also die warme und die kalte, nach oben offen sind, steht ja auf beiden der zusätzliche gleiche Atmosphärendruck. Wirksam ist einzig der Dichteunterschied, hervorgerufen durch die Erwärmung und die Höhe der Röhre. Der Druckunterschied lässt sich also abgekürzt in einer Formel wie folgt darstellen:

Δp = h • (ρ1- ρ2) • g

Aus dem Beispiel geht daher hervor:

Δp = 10 m • (1,225 - 1,1644) kg/m³ • 9,81 m/s²

Δp = 10 m • 0,0606 kg/m³ • 9,81 m/s²

Δp = 6 Pa

Die Druckdifferenz ergibt sich also aus der Höhe der Säule, multipliziert mit der Dichtedifferenz, multipliziert mit der Erdbeschleunigung. Da also niemand an den aufsteigenden Gasmolekülen zieht, dürfte es streng genommen auch nicht Zug heißen. Einige Lehrkörper reagieren da sehr allergisch. Umgangssprachlich wird man aber verstanden, wenn von Kamin- oder Schornsteinzug spricht und nicht etwa von Kamindruck. Die im Beispiel errechnete Druckdifferenz ist äußerst gering und entspricht einer Wassersäule von 0,6 Millimeter (!), ein kaum wahrnehmbarer Wassertropfen auf der Fingerkuppe. Da dürfte es klar sein, dass die Luftmoleküle nicht wie wild nach oben gerissen werden, sondern eher dahinschleichen. Um die Abgase eines offenen Kamins abzutransportieren benötigt man dann schon eine höhere Geschwindigkeit. Diese lässt sich durch die wesentlich höheren Temperaturen der Feuerung um die 200 °C aber auch locker erzielen. Ein Brennwertkessel mit 50 °C Abgastemperatur schafft diese Hürde indessen nicht und wird daher gebläseunterstützt das Abgas nach draußen blasen. Die wirksame Schornsteinhöhe, als zweiter Einflussfaktor, ist ebenfalls entsprechend wichtig. In der Praxis sind Schornsteine selten unter 4,50 Meter anzutreffen. Und das Kaminfeuer im Erdgeschoss-Wohnzimmer hat ungleich mehr Zug als das Gegenstück im Spitzboden.

Ein Blick von unterhalb der transparenten Abdeckung auf den Kamin eines 
Aufwindkraftwerkes
Ein Blick von unterhalb der transparenten Abdeckung auf den Kamin eines Aufwindkraftwerkes

Ein bisschen Nützliches

Die Temperatur der Abgase sinkt natürlich auf dem Weg nach oben durch den Schornstein ständig ab. Um den Zug aufrecht zu erhalten kann eine geeignete Dämmung des Kamins und natürlich auch der Verbindungsrohre erfolgen. Das Temperaturniveau bleibt dadurch länger erhalten und der Zug bleibt konstanter. In der Praxis wird man diesen Temperatureinfluss beim Anheizen eines Kamins feststellen können. Ist der Schornstein noch kalt, fällt der Zug deutlich geringer aus als später, nach einer gewissen Erwärmung des Schornsteins. Bei den beschriebenen niedrigen Differenzdrücken muss mit den Widerständen im Kamin vorsichtig umgegangen werden. Jede Krümmung ist als Widerstand anzusehen und je rauer ein Schornstein von innen ist, desto stärker wird das Abgas gebremst. Um letztlich ein angepasstes Abgassystem auswählen zu können, gilt es einiges zu beachten. Daher sind die Auslegungsformeln der Schornsteinhersteller auch sehr umfangreich. Die physikalischen Hintergründe lassen sich aber, wie gezeigt sehr einfach herleiten.

Hier strömt die Luft nach in den riesigen Kamin eines Naturzugkühlturms
Hier strömt die Luft nach in den riesigen Kamin eines Naturzugkühlturms

Anderer Nutzen möglich?

Die so genannten Schachtlüftungen beruhen auf dem Kamineffekt und arbeiten ohne Gebläse. Die Berliner, Dortmunder oder Kölner Lüftung sind Beispiele, wie man auch innenliegende Bäder entlüften und damit entfeuchten konnte. Immer dichtere Gebäude und insbesondere dichtere Fenster machen heutzutage aber den Einsatz von Gebläsen notwendig. Den Kaminzug kann man übrigens auch zum Antrieb eines stromerzeugenden Generators nutzen. Dazu hängt man eine - wie ein kleines Windkraftwerk aufgebaute - Maschine in eine senkrechte Röhre von vielleicht 100 Meter Höhe. Am Fuße dieser Röhre errichtet man transparente Abdeckungen im Luftzulauf dieser Röhre. Erwärmt die Sonne die Luft unter diesen Scheiben, so entsteht eine Luftbewegung durch die Röhre nach oben, die den Propeller zum Drehen bringt und so Strom erzeugt. Wenn überhaupt, lohnen sich solche Aufwindkraftwerke zurzeit nur in sonnenreichen Wüstenregionen. Versuchsanlagen nach diesem Schema aus den Achtzigern des letzten Jahrhunderts sind nicht mehr in Betrieb. Der Kamineffekt wird immer noch zur Kühlung von Großkraftwerken genutzt. Auch hier werden riesige Röhren in die Landschaft gestellt, die im Fußbereich eine Anzahl von Öffnungen aufweisen für den Zustrom der Kühlluft. Eine sehr effiziente Technik, die ohne große Kühlwassermengen aus Flüssen auskommt, wie es sonst üblich ist. Kraftwerke mit solchen Naturzugkühltürmen können also auch fern von Flüssen aufgebaut werden.

Auftrieb wird also nicht nur im Schornstein gebraucht. Wer die physikalischen Zusammenhänge um Höhe, Dichte und Erdbeschleunigung kennt, der kann sich (und anderen) so manches weitere technische Phänomen erklären.

WERBUNG