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Genug Strom auch bei 9 Mio. Wärmepumpen

Forscherinnen der Universität zu Köln haben im Rahmen einer aktuellen Studie aufgezeigt, wie in einem klimaneutralen Energiesystem die Versorgungssicherheit auch in Extremwettersituationen (Stichwort: „kalte Dunkelflaute“) gewährleistet werden kann.

In einem klimaneutralen Energiesystem, bei dem Öl- und Gas-Heizungen unter anderem durch Wärmepumpen ersetzt sind, wird deutlich mehr Strom benötigt, gerade bei niedrigen Temperaturen. Gleichzeitig hängt die Stromerzeugung zunehmend vom Wetter ab, weil ein deutlich höherer Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien (EE) produziert wird.

Forscherinnen der Universität zu Köln haben im Rahmen einer aktuellen Studie aufgezeigt, wie in einem solchen klimaneutralen Energiesystem die Versorgungssicherheit dennoch gewährleistet werden kann – auch in Extremwettersituationen. Mit Wetter- und Kraftwerkseinsatzmodellen untersuchten die beiden Doktorandinnen Linh Ho und Berit Hanna Czock sowie Juniorprofessorin Dr. Stephanie Fiedler die Zuverlässigkeit der Stromversorgung bei steigenden EE-Anteilen in besonders extremen Wetterperioden.

Endenergieverbrauch sinkt, Bruttostromnachfrage steigt

Die Ergebnisse sind im Gutachterbericht „Klimaneutralität 2045 – Transformation der Verbrauchssektoren und des Energiesystems“ im Rahmen der „dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität“ veröffentlicht, den das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) Anfang Oktober 2021 vorgestellt hat.

Die Studie beschreibt ein Szenario für die Transformation des deutschen Energiesystems hin zu „Klimaneutralität 2045“. Demnach sinkt zwar der Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2045 um etwa 41 % gegenüber dem Jahr 2018. Endenergie ist die Energie, die aus Primärenergieträgern, wie Braunkohle, Steinkohle, Erdöl, Erdgas, Wasser- oder Windkraft, durch Umwandlung gewonnen wird.

Die Bruttostromnachfrage steigt jedoch von heute rund 580 TWh/a deutlich auf 910 TWh/a. Dies liegt an der zunehmenden Elektrifizierung der Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie und am Strombedarf zur Herstellung von Wasserstoff. Insbesondere die 9 Millionen elektrischen Wärmepumpen im Jahr 2045 treiben im Szenario gleichzeitige Nachfragespitzen, die durch die verfügbaren Kraftwerke gedeckt werden müssen.

Besonders kritisch: Kalte Dunkelflauten

Zugleich geht die konventionelle Stromerzeugung aus Kernkraft und Kohle zurück, während die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie weiter an Bedeutung gewinnt und 85 % der Bruttostromnachfrage im Jahr 2045 deckt. Weil der Wind aber nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, spielen sogenannte Flexibilitäten eine wichtige Rolle. Im Idealfall fangen sie Nachfrage- bzw. EE-Einspeisespitzen ab und stabilisieren so das Energiesystem.

Im Rahmen eines Exkurses in der dena-Leitstudie haben die Kölner Forscherinnen Extremwettersituationen betrachtet, bei denen es in ganz Europa besonders kalt und in Deutschland zudem mehrere Tage lang windstill war.

„Kritisch für die Stromversorgung sind vor allem kalte Dunkelflauten“, sagt Fiedler, die neben ihrer Tätigkeit im Institut für Geophysik und Meteorologie auch Chief Energy Meteorologist am EWI ist sowie gemeinsam mit Ho und Czock im Forschungsbereich Klimamonitoring und Diagnostik des Hans-Ertel-Zentrum für Wetterforschung arbeitet. „Das sind Situationen mit niedrigen Temperaturen und daraus resultierender hoher Stromnachfrage bei gleichzeitig geringer Sonneneinstrahlung und geringen Windgeschwindigkeiten, die wiederum zu einer geringeren Erzeugung erneuerbarer Energien führen.“

Stromnachfrage knapp gedeckt – mit mehr Vernetzung

Mithilfe einer Modellierung von Kraftwerkseinsatz und Stromhandel zeigen die Wissenschaftlerinnen, dass im Klimaneutralitäts-Szenario auch in zwei exemplarisch ausgewählten „kalten Dunkelflauten“ der Wetterjahre 1997 und 2007 die gesamte Stromnachfrage knapp gedeckt werden kann, unter anderem durch Stromimporte aus dem europäischen Ausland.

Denn in den betrachteten Extremwettersituationen sind die europäischen Nachbarn weniger vom Extremwetter betroffen und können Strom nach Deutschland exportieren, zum Beispiel aus Nordeuropa, Frankreich und der Schweiz. Dazu müssen jedoch die Stromleitungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern (Interkonnektoren) deutlich ausgebaut werden.

Auf deutscher Seite werden vor allem flexible Gaskraftwerke – die mittelfristig (teilweise) mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können – sowie flexibel einsetzbare Großbatterien und Pumpspeicher eingesetzt. Auch die Nachfrageseite könnte durch ihre Flexibilität zu einer Vermeidung von Versorgungslücken beitragen, zum Beispiel indem flexible Industrieprozesse kurzfristig heruntergeregelt werden.

Auch private Haushalte könnten ihre Wärmespeicher und die Batterien ihrer E-Fahrzeuge zur Überbrückung besonders kritischer Stunden einsetzen. Solche Flexibilitätsoptionen sind technisch bereits möglich. Bevor Haushalte und andere Verbraucher zu Flexibilitätsanbietern werden, müssen jedoch entsprechende Anreize, beispielsweise durch eine Vergütung der Flexibilität, und die technischen Schnittstellen geschaffen werden.

Zunahme von Extremereignissen zu erwarten

Auch in Zukunft wird das Thema Versorgungssicherheit in klimaneutralen Energiesystemen ein Forschungsschwerpunkt der Kölner Forscherinnen bleiben. Zwar konnten in den beiden Fallstudien Versorgungslücken in der Stromversorgung vermieden werden. Trotzdem muss die Rolle von Extremwetterereignissen in wetterabhängigen Energiesystemen weiter untersucht werden. Denn im Rahmen des Klimawandels wird eine Zunahme von Extremereignissen erwartet. Die Auswirkungen auf das Energiesystem sind jedoch noch nicht systematisch untersucht worden.

EWI-Gutachten als PDF-Download: Klimaneutralität 2045 – Transformation der Verbrauchssektoren und des Energiesystems

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte 2018 ermittelt, wie stark die Stromproduktion aus Sonne und Wind wetterbedingt schwankt und gezeigt, dass durch den kombinierten Einsatz von Windkraft an Land und auf See, Photovoltaik und einen europäischen Stromverbund die Risiken durch Windflauten und sonnenscheinarme Phasen deutlich reduziert werden.

[BU: Der europäischer Stromverbund minimiert Ertragsausfälle bei erneuerbaren Energien. Grafik: Deutscher Wetterdienst (DWD) ]

Exemplarisch hatte der DWD ausgewertet, wie oft in der Vergangenheit über einen Zeitraum von 48 h in bestimmten Gebieten die mittlere Energieproduktion aus Wind und Sonne unter 10 % der Nennleistung blieb: Bei Windkraft-Anlagen auf dem deutschen Festland trat dieser Fall im Mittel etwa 23 Mal im Jahr auf. Werden auch Offshore-Anlagen in den ausschließlichen Wirtschaftszonen Deutschlands hinzugenommen, muss die Energiewirtschaft mit 13 Fällen pro Jahr rechnen. In der Kombination von Windkraft auf Land und See mit Photovoltaik ergaben sich im Mittel für Deutschland zwei Fälle pro Jahr.

Bei einer europaweiten Betrachtung trat der Musterfall nur 0,2 Mal im Jahr auf. Die Verwendung anderer Schwellenwerte bei den Erträgen oder Zeitperioden führt laut DWD zu ähnlichen Ergebnissen.

Im Kontext, noch mehr Infos:

Der Abschied vom Erdgasnetz gehört auf die Agenda

„Keine neuen Öl- und Gas-Heizungen mehr ab 2024“

Ariadne-Report: Klimaneutralität 2045 ausbuchstabiert

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