Immer nur den ersten Millimeter
Für den werten Kunden nur das Beste, ist doch klar. Und die Banken haben reichlich kapitalisierende Ideen, um diese dem geneigten Kleinanleger unter die Nase zu reiben. Rendite-Ideen vom Anlagemechaniker, pardon Anlagenmechaniker zu erhalten ist natürlich erstmal neu, aber durchaus denkbar. Doch aufgepasst beim Thema Dämmung als Investition gibt es Einiges zu beachten.
Wie im echten Leben gilt bei der Dämmung, dass nicht immer die Menge für den Erfolg ausschlaggebend ist. Für die Wärmeisolierung von Rohren oder auch Häusern gilt nicht zwangsläufig die vermeintliche Weisheit: Viel hilft auch viel! Maßvolles Vorgehen und ein treffsicherer Blick in die Zukunft ist angesagt um Situationen wie das Dämmen zu bewerten. Am Beispiel einer Rohrdämmung sei dies in diesem Bericht kurz erläutert.
Äußere Bedingungen
Um den Einspareffekt durch eine nachträgliche aufgebrachte Wärmedämmung einschätzen zu können, gilt es natürlich die äußeren Bedingungen abzuklopfen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob die Dämmung beispielsweise eine Zirkulationsleitung fürs Trinkwasser in einem Mehrfamilienhaus (MFH) umschließt oder die Zuleitung zum Heizungsverteiler einer Fußbodenheizung neuester Prägung in einem Einfamilienhaus. Die Zirkulationsleitung im MFH wird nämlich wahrscheinlich an 8760 Stunden eines Jahres, also ständig betrieben. Die Fußbodenheizung läuft aber nur an vielleicht 4500 Stunden eines Jahres, während der Heizphase. Die Zirkulationsleitung im MFH wird dann noch ganzjährig auf mittleren 58 °C gehalten während die Fußbodenheizung bei nur 38 °C Spitzentemperatur bestens zufrieden und im Durchschnitt vielleicht bei 30 °C läuft. Dann ist natürlich noch entscheidend, bei welcher Umgebungstemperatur das betrachtet Rohr verlegt ist. Die zugige Tiefgarage stellt sich erkennbar anders dar als die Innenwand zwischen einem beheizten Wohnzimmer und der Küche. Dämmung und die damit zu erwirkende Einsparung an Energie hängt also von vielen äußeren Faktoren ab.
Der erste Millimeter
Wichtig zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Dämmung ist natürlich auch die Dämmdicke. Ein Millimeter oder zehn Millimeter lassen sich fast gleich schnell überziehen. Und zehn Millimeter sind fast genauso flott umgelegt wie zwanzig oder fünfzig Millimeter. Bringt man also die Dämmung so dick wie möglich oder so dick wie nötig auf? Gibt es einen Punkt in dem das Verhältnis von Aufwand und Nutzen besonders günstig ist. Können vielleicht sogar fünfhundert Millimeter Dämmdicke noch einen positiven Effekt im Portemonnaie des letztlich zahlenden Kunden hervorrufen? Fragen über Fragen... Man könnte diese Fragen letztlich bei einem waghalsigen Kundenexperiment beantworten lassen. Der Schuss würde allerdings sicherlich nach hinten los gehen. Bleibt eigentlich nur die Simulation von äußeren und inneren Abläufen per Software.
Beispiel aus der Praxis
Ein MFH wie es zigtausendfach in Deutschlands Städten betrieben wird, kann als hervorragendes Beispiel herhalten. Hier sei eine 22er Kupferleitung als Warm- und Zirkulationsleitung durch den Keller verlegt. Insgesamt zehn Meter unisoliertes Rohr sollen dort vom Trinkwassererwärmer zur Steigeleitung verlaufen. Wegen der Hygieneanforderungen wird das System ununterbrochen ganzjährig betrieben mit einer Temperatur von ca. 58 °C. Der Keller ist unbeheizt und im Jahresmittel liegt die Temperatur bei 10 °C. Das Rohr wird also ständig gekühlt oder anders ausgedrückt es erwärmt andauernd den Keller. Die Länge von Zehn Meter macht die Berechnung der Leistung und anschließend der verbrauchten Energie recht einfach. Aber als Grundlage gilt es erst einmal eine Software zu finden, die zuverlässig die beschriebenen Bedingungen simuliert. Ein kostenloses Berechnungs-Tool von Armaflex bietet die gewünschten Eigenschaften und dürfte mit dem Versionsstand 1.3.12 die Kinderkrankheiten hinter sich haben.
Das Programm lässt sich leicht und nach logischer Abfolge bedienen. Von oben nach unten:
- Anwendungsbereiche:
Heizung- und Sanitäranlagen
- Produkt:
SH/Armaflex
- Richtung:
Dämmschichtdicke ist bekannt
- Objekt:
Rohr
- Medium:
Flüssig
- Berechne:
Wärmestrom
- Objekttyp:
Kupfer
- Dämmschichtdicke:
0 bis 40 Millimeter
- Umgebungstemperatur:
10 °C
- Mediumtemperatur:
58 °C
- Außendurchmesser:
18 Millimeter
- Wärmeübergangskoeffizient:
außen 9,0 W/(m²K)
- Wärmeübergangskoeffizient:
innen 1000,0 W/(m²K)
Das Ergebnis dieser Eingaben ergibt eine längenbezogene Wärmestromdichte von 24,2 W/m.
Für den gedachten Verlauf der Warmwasserleitung im beschriebenen MFH ergibt sich eine Dauerleistung von 24,2 W/m x 10 m also 242 Watt. Pro Tag sind 24 h x 242 Watt = 5808 Wh = 5,8 kWh entsprechend der Energiemenge von 0,58 Liter Heizöl. Aufs Jahr gerechnet werden demnach 242 W x 8760 h/a = 2119920 Wh/a = 2120 kWh/a verbraten, entsprechend 212 Liter Heizöl.
Vergleiche
Ungedämmt wird also jährlich der Energiegehalt von 212 Liter Heizöl in diesem Keller als Abwärme auf Nimmerwiedersehen in die Umwelt entlassen. Nur ein Millimeter Dämmung reduziert diesen Wert dann um zehn Prozent auf 192 Liter. Vorwitzige würden jetzt vorauspreschen eine Hochrechnung anstellen, wann denn wohl der Wärmefluss komplett zum Erliegen kommen wird. Wenn 1 Millimeter ja schon 10 Prozent bringt dürften 10 Millimeter ja wohl 100 Prozent bringen?
Falsch!
Nur der erste Millimeter bringt diesen Zuwachs von 10 % der nächste Millimeter bringt 8 % und dann noch 6 % mit abnehmender Tendenz.
Die Physik lässt sich and dieser Stelle nicht überlisten. Der Zuwachs an Isolierstärke verstärkt den Widerstand immer geringer. Der erste Millimeter ist rein rechnerisch der dickste Posten, der Zweite schwächelt schon ein wenig und der Dritte ist im Vergleich ein Leichtgewicht, ganz zu schweigen von den noch folgenden Millimetern.
Folgen fürs Portemonnaie
Die Investition in eine Dämmung muss gut überlegt werden. Was für die hier skizzierte Rohrleitung gilt, kann auch für jede Fassadendämmung angewandt werden. Die Einsparung an Energie sollte in einem gesunden Verhältnis zum Aufwand bei den geplanten Dämm-Maßnahmen stehen. Der arbeitstechnische Aufwand ist für eine sehr dünne Dämmung oft genauso hoch wie für eine dicke Dämmung. Dabei ist es fast egal ob man eine Hausfassade oder eine Rohrleitung betrachtet. Deshalb sind natürlich auf der Aufwandsseite ähnlich gegenläufige Bedingungen zu berücksichtigen. Im übertragenen Sinn gilt dann nämlich auch, dass die Montage von 12 Millimeter Dämmung nicht 12-mal so teuer ist wie die Montage von 1 Millimeter Dämmung. Das macht die Entscheidung für gewisse Dämmstärken natürlich nicht einfacher. Und noch etwas spielt eine große Rolle. Die voraussichtliche Betriebsdauer übers Jahr und die Lebensdauer insgesamt. Wird ein Raum nur ausnahmsweise und wenn, dann nur kurz beheizt, so ist der Effekt einer Wärmedämmung für den Vor- und Rücklauf der Heizleitungen anders zu sehen als bei ganzjähriger Vollbeheizung. Die Wirtschaftlichkeit einer Wärmedämmung in einem Haus, das in den nächsten 3 Jahren abgerissen wird stellt sich anders dar als in einem Gebäude mit voraussichtlichem Betrieb über die nächsten 30 Jahre. Bei ansonsten gleicher Investition in die Dämmung, wäre der Effekt mit zunehmenden Betriebsjahren natürlich größer. Also, wenn der Kessel beim Kunden ohnehin im nächsten Jahr raus muss und das Kesselhaus neu erstellt wird, muss man ihn nicht auch noch zur Komplettsanierung der Dämmung überreden. Übrigens sind Besitzer von Mehrfamilienhäusern nicht immer sofort erfreut über die Dämm-Maßnahmen, die in Ihren Mietobjekten vorgeschlagen werden. Der Grund ist ganz einfach. Die Kosten für die Heizung werden umgelegt, das bedeutet, die Mieter zahlen auch die Wärmeverluste. Die Dämmung von Rohrleitungen hat also für den Vermieter kaum vorteilhafte Auswirkungen auf seinen Geldbeutel, eher im Gegenteil. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum in Bestandsgebäuden und insbesondere in Mehrfamilienhäusern die Dämmsituation eher wenig erfreulich ist. Aber fachkundige Beratung kann auch Immobilienbesitzern eine Investition in Dämmung schmackhaft machen. Letzter Einflussfaktor ist dann natürlich noch der Energiepreis. Hohe Preise für Heizöl oder Erdgas lassen Dämmmaßnahmen in einem besseren Licht erscheinen. Obwohl die eingesparten Kilowattstunden unverändert bleibt, ist wiegt der Energiepreis schwerer. Und nun kann es losgehen mit der Anlageberatung in Sachen Dämmung.