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Wie funktioniert eigentlich Verdunstungskälte

Ohne Kälte­kompressor

Inhalt

Was sich hier liest wie der Ausschnitt aus einer Werbung für den örtlichen Fitness-Club, beschreibt den hilfreichen Effekt der Verdunstungskälte. Und auch das, was passieren kann, wenn eine junge Frau sich ordentlich beim Training verausgabt. Je nach Standpunkt schätzt man diesen Effekt sehr oder verteufelt ihn. Wer jemals mit durchnässter Kleidung in einem Sturm gestanden hat, kennt auch die Schattenseiten, an die Leyla sich wohl gerade nicht erinnert.

Die Grundsätze

Das Prinzip der Verdunstungskälte soll am Beispiel von Wasser erläutert werden. Viele andere Stoffe können den gleichen Effekt auslösen, sind aber im täglichen Leben nicht so präsent. Wasser ist in drei Aggregatzuständen zu finden, das ist nichts Neues: Fest, flüssig und gasförmig kann es angetroffen werden. Und diese drei Zustände lassen einen Rückschluss auf den Zusammenhalt der Wassermoleküle zu. Sind die Moleküle sehr träge und bewegungsarm, ist der Energiegehalt eher gering. Der feste Zustand ist in der Lage, enorme Belastung auszuhalten. Je nach Eisdicke sind tonnenschwere Lasten kein Problem. Wird diesem Eis Energie zugeführt, so erhalten die Wassermoleküle ein höheres Energieniveau und sie werden animiert zu einfachen Tänzchen, wobei noch keine Moleküle aus der Reihe tanzen, gewissermaßen der Sirtaki der Hydrokulturen. Erwärmt man weiter, liegt Wasser irgendwann flüssig vor, gewissermaßen der gemäßigte Discofox mit einfachen Figuren. Wird die Energiezufuhr fortgesetzt, belebt sich auch der Tanz immer mehr. Wasser wird dabei immer dünnflüssiger. In der Fachwelt spricht man von abnehmender Viskosität bei zunehmender Temperatur. Bei fortlaufender Energiezufuhr gerät der Tanz der Moleküle irgendwann außer Kontrolle, Wasser wird gasförmig und führt dabei den unkontrollierten Freestyle aus. Unter normalen Umgebungsbedingungen sind die Temperaturen für den Wechsel der Aggregatzustände bis 0 °C für den festen Zustand, und bis 100 °C für den flüssigen Zustand, oberhalb dieser Temperatur ist Wasser gasförmig. Diese Zusammenhänge sind aus der Erfahrungswelt des Alltags bekannt.

Das erste Experiment

Anders verhält es sich jedoch mit dem Bezug zum jeweiligen Energieniveau. Die Abschätzung hierüber entzieht sich oft unserer Beobachtung. Daher vollziehen Sie bitte folgendes Experiment erstmal vor Ihrem geistigen Auge nach, später können Sie es ja recht einfach real ablaufen lassen und damit den hier beschriebenen Vorgang beweisen.
Ein Schälchen wird mit Eis befüllt; ein Klumpen aus der Tiefkühltruhe mit einer Temperatur von minus 10 °C reicht aus. Die Schale mit dem Eis wird auf ein Stövchen gestellt. Darunter befindet sich ein Teelicht mit immer gleicher Flammenleistung. In den Eisklumpen stecken Sie den Fühler eines schnell reagierenden Thermometers. Wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit nun ausschließlich der Temperaturanzeige zu. Die Beobachtung zeigt nun (wen wundert es) eine kontinuierlich steigende Temperatur, da das Stövchen dem Eis einheizt (Sirtaki). Unerwartet erlebt die Erhöhung jedoch einen Einbruch bei genau 0 °C (Sirtaki und Fox). Der Verlauf stagniert, steigt also nicht weiter an. Obwohl die Kerze unter der Schale brennt, also Energie liefert, führt dies nicht zur erwarteten Erhöhung der Temperatur.
Nach geraumer Zeit, das gesamte Eis ist mittlerweile geschmolzen, steigt die Temperatur wieder. Dieses erste Phänomen markiert den Übergang von fest auf flüssig. Jede Menge Energie ist notwendig, um den Molekülen die Bewegungsspielräume zu vergrößern. Die Temperatur bleibt bei diesem Wechsel konstant. Im Anschluss an diese erste Beobachtung möchte man gähnend einschlafen, denn die Temperatur steigt wiederum kontinuierlich 12, 13, 14 ... Dann wieder dieses Mysterium, plötzlich stoppt der Temperaturanstieg nochmals, diesmal bei 100 °C. Und wieder steigt die Temperatur erst nach geraumer Zeit, obwohl kontinuierlich die gleiche Energiemenge via Kerze übertragen wird. Der zweite Haltepunkt markiert abermals einen Zustandswechsel, jetzt von flüssig nach gasförmig. Die Erkenntnis aus diesem Versuch drängt sich zwar noch nicht sofort auf, ist aber elementar für das Verständnis der Verdunstungskälte.

Stellt man eine brennende Kerze unter einen Eiswürfel und misst kontinuierlich die Temperatur, so kann man über die Zeit diesen Verlauf erkennen

Stellt man eine brennende Kerze unter einen Eiswürfel und misst kontinuierlich die Temperatur, so kann man über die Zeit diesen Verlauf erkennen

Die Einsichten und Zahlen

Um Wasser vom festen in den flüssigen oder dann vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu verwandeln, benötigt man jeweils eine große Menge Energie. Erst wenn diese Energiemenge zur Verwandlung geliefert wurde, lässt sich die Temperatur weiter erhöhen. Während zur Erwärmung von 1 kg Wasser von 99 °C auf 100 °C die Energiemenge von rund 1,163 Wh notwendig wird, ist zur weiteren Steigerung um ein weiteres Grad die Energiemenge von 626,9 Wh notwendig – also erheblich mehr. Diese Energie wird zum Wechsel des Aggregatzustandes benötigt. Bei der Abkühlung oder sogar der Kondensation dieses dann entstandenen Wasserdampfes kann die enthaltene Energie natürlich auch wieder entnommen werden. Die enthaltenen 626,9 Wh an Energie werden beim Übergang von der gasförmigen zur flüssigen Phase auch wieder abgegeben. Diesen Effekt beherrscht übrigens die Heizungsszene seit Jahrzehnten und er wird unter dem Ober­begriff Brennwert-Technik mittlerweile als Standard angesehen.
Also, Energie ist notwendig, um Wasser zu verdampfen, aber Kühlung mit 100 °C heißer Brühe kann doch wohl nicht funktionieren.
Aber Wasser muss ja auch nicht verdampfen, um gasförmig zu werden. Wer jemals der Wäsche auf der Leine beim Trocknen zugesehen hat, der kennt den Prozess der Verdunstung und hat – nebenbei bemerkt – verdammt viel Zeit und Muße.

Sehr kompakte Geräte ermöglichen die Nutzung von Verdunstungskälte

Bild: Kampmann

Sehr kompakte Geräte ermöglichen die Nutzung von Verdunstungskälte

Der Ausgleich macht's

Ist zur Verdampfung von Wasser unter normalen Bedingungen noch eine Temperatur von 100 °C notwendig, so läuft die Verdunstung auch bei geringeren Temperaturen ab. Das Trocknen von Wäsche auf der Leine, der ausgetrocknete Siphon der Dusche nach dem Sommerurlaub, Leylas Kühlungserlebnis nach dem Besuch des Fitness-Centers sind deutliche Belege dafür.
Die Voraussetzung hierfür ist ein weiterer physikalischer Grundsatz: Die Natur versucht kontinuierlich Ungleichgewichte auszugleichen.
Und das Ungleichgewicht einer feuchten Oberfläche zu relativ trockener Luft reicht aus, um Wasser ebenfalls dampfförmig werden zu lassen. Im Falle von Leyla hat sie den Körperschweiß auf gute 38 °C vorgeheizt. Die Umgebungsluft in der Muckibude wird sicherlich noch nicht mit Dampf gesättigt sein. Diese Luft kann und wird daher noch Feuchte aufnehmen. Erst bei völliger Sättigung dieser Luft käme diese Verdunstung des Schweißes zum Erliegen.
Völlige Sättigung von Luft empfinden wir Menschen im Sommer übrigens als Schwüle. Sie merken jetzt auch schon den Zusammenhang: Wenn Luft bei großer Hitze keine weitere Feuchte mehr aufnehmen kann, wird es für Menschen oft ungemütlich, da der Schweiß auf unserer Haut nicht mehr verdunsten kann. Verdunstung sorgt also ebenfalls für den Wechsel des Aggregatzustandes. Aber dem dann dampfförmigen Wasser sieht man es nicht an, ob es nun bei 100 °C durch Kochen verdampft ist oder bei 20 °C auf Leylas Haut. Nur, und jetzt sind wir endlich bei der Kühlung, bei der Verdunstung hat Leylas Hautoberfläche die notwendige Energie geliefert, was diese junge Frau als Kühlung empfand. Irgendwo musste die Energie ja herkommen. Also, egal ob durch Verdampfung bei 100 °C oder Verdunstung bei 20 °C und noch nicht mit Dampf gesättigter Luft, der Wechsel findet nur statt, wenn Energien fließen. Aber warum empfindet Leyla einen Luftzug als besonders erfrischend? Na, weil die Luft, die sich soeben mit der Feuchte verbunden hat, bei entsprechendem Luftaustausch wieder erneuert wird. Und die neue Luft nimmt wiederum Feuchte auf und kühlt folglich. Bei stehender Luft würde diese sich allmählich mit Feuchte sättigen und den Prozess der Verdunstung auf der Haut dabei immer weiter verlangsamen. Stehende Luft sorgt für eine allmähliche Verlangsamung der Verdunstung.

Der zweite, einfache Versuch

Während eines weiteren, sehr einfachen Versuchs kann man sich diesen Vorgang auch gut praktisch ansehen.
Ein Messgerät mit zwei Temperatursensoren zeigt einmal die trockene Temperatur eines luftumspülten Fühlers an und gleichzeitig die Temperatur eines mit einem feuchten Tuch umwickelten Sensors.
Im dargestellten Versuch zeigt der trockene Sensor eine Temperatur von 15,4 °C an. Der feucht umschlossene Sensor hingegen zeigt eine Temperatur 10,7 °C an. Nimmt man das feuchte Tuch vom Sensor und wartet die komplette Trocknung der Metalloberfläche ab, so zeigen sich gleiche Temperaturen an beiden Sensoren.
Das feuchte Tuch um den Sensor wurde also gewissermaßen im Luftstrom getrocknet. Oder anders ausgedrückt: Das Wasser des Tuchs wurde verdunstet. Zur Verdunstung war zwingend Energie notwendig, die in diesem Fall unter anderem dem Sensor entzogen wurde. Der Sensor kühlte sich natürlich in der Folge ab.
Verdunstung von Wasser entzieht also der Umgebung erhebliche Energiemengen. Dazu müssen keine energiefressenden Kompressoren von Kältemaschinen angeworfen werden.

Zwei Temperatursensoren in einem Luftstrom mit Anzeige der jeweils gemessenen Temperatur

Foto: IBH

Zwei Temperatursensoren in einem Luftstrom mit Anzeige der jeweils gemessenen Temperatur

Keine Missdeutung bitte!

Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass die hohe Leitfähigkeit des Wassers die Auskühlung des feuchten Messfühlers im zuletzt beschriebenen Versuch begünstigt. Das stimmt ja grundsätzlich auch. Das begründet aber nicht die sichtbare Abkühlung gegenüber der Umgebungstemperatur, also der Temperatur des Luftstroms. Das feuchte Tuch leitet die Wärme besser ab als die isolierende Schicht eines trockenen Tuchs. Aber der zusätzlich einsetzende Kühleffekt entsteht durch die Verdunstung.
Ein Mensch, der durchnässt durch einen Sturm läuft, wird zwei Phänomenen ausgesetzt. Einerseits leitet die durchnässte Kleidung seine Körperwärme schneller nach außen als trockene Kleidung. Zusätzlich wird die Oberfläche durch die Verdunstung im Sturm weiter abgekühlt.

Das Prinzip der adiabaten Abluftkühlung in Klimatisierungsanlagen. In diesem speziellen Fall wird kosten­loses Regenwasser innerhalb eines Wärmeübertragers in die Abluft gesprüht und kühlt diese deutlich ab. Der Kühleffekt wird dann auf die Zuluft übertragen

Das Prinzip der adiabaten Abluftkühlung in Klimatisierungsanlagen. In diesem speziellen Fall wird kosten­loses Regenwasser innerhalb eines Wärmeübertragers in die Abluft gesprüht und kühlt diese deutlich ab. Der Kühleffekt wird dann auf die Zuluft übertragen

Adiabate Kühlung

Weitere Spezialfälle kann man sich ausdenken. Die sogenannte adiabate Kühlung wird bereits praktisch eingesetzt, um kostengünstig und effizient Kühlenergie bereitzustellen. Das Prinzip ist mit den hier beschriebenen Vorgängen identisch. Die Spezialisierung sieht dabei jedoch so aus, dass Wasser für diese adiabate Kühlung bereits sehr fein verdüst wird. Dabei bietet ein feiner Wassertropfen enorm viel Oberfläche, um zu verdunsten. Statt an der Oberfläche des eben beschriebenen Küchentuchs bieten sich viele tausende winzige Tröpfchen mit einer zusammengerechnet riesigen Oberfläche einem Luftstrom an, um in diesem zu verdunsten. Das kühlt diesen Luftstrom enorm herunter. Diese Temperaturdifferenz als Ergebnis von derart geringem Energieaufwand ist mit keinem anderen Prozess vergleichbar günstig realisierbar. Die adiabate Kühlung schreit nach vielfältigen Entwicklungen für die nächsten Jahre. Die weltweite Klimaerwärmung gepaart mit den energiedichten, EnEV-gerechten Gebäuden ruft solche kostengünstigen Prozesse sicherlich auf den Plan.

Riesige „Wolkenmacher“ treten deutschlandweit noch in Erscheinung und treiben Abwärme in Form von verdunstetem Wasser in die Atmosphäre

Bild: Dorling Kindersley / thinkstock

Riesige „Wolkenmacher“ treten deutschlandweit noch in Erscheinung und treiben Abwärme in Form von verdunstetem Wasser in die Atmosphäre

Die Erkenntnisse für Praxis

Stellt man also eine feuchte Oberfläche oder fein zerstäubtes Wasser zur Verfügung und entsprechend aufnahmefähige Luft, um diese Feuchte zu verdunsten, so findet immer eine Kühlung statt. Die Verdunstung nimmt die Energie aus der Umgebung, also entweder von der feuchten Oberfläche oder direkt aus der Luft. Letztlich entsteht Verdunstungskälte oder eine adiabate Kühlung.
In der Praxis ist die augenfälligste Anwendung der Kühlturm eines herkömmlichen Kraftwerkes. Diese Riesen vernichten zwei Drittel der Energien, die in diesem Kraftwerk umgesetzt werden. Die Verdunstung tritt deutlich sichtbar ins Freie, nämlich als verdunstetes Wasser, was man Kleinkindern verharmlosend als Wolkenmacher beschreiben kann. Die Wahrheit sieht leider anders aus. In einem Großkraftwerk können schon mal 1,5 t Wolken pro Sekunde erzeugt werden, wohlgemerkt Abwärme, die niemand mehr sinnvoll einsetzt.
Aber auch die Anlagentechnik nutzt dieses schlichte Prinzip seit Jahrzehnten zur kostengünstigen Bereitstellung von Kühl­energie. Durch geschickte Anordnung der Komponenten sind mittlerweile sehr kompakte Geräte verfügbar, die diesen Effekt nutzen. Im besten Fall kühlen solche Geräte durch indirekte Verdunstungskälte die im Sommer angesaugte Zuluft für einen Raum um bis zu 14 °C. Die viel teurere und energetisch aufwendigere Alternative wäre für solche Aufgaben eine Kältemaschine zu betreiben. Es lohnt sich also diese Technik näher zu betrachten. Und statt Leyla die Briefmarkensammlung zu zeigen, könnte man ihr ja mal nach dem Training im Fitness-Center erklären, was da so auf ihr vorgeht, oder sie adiabat kühlen.

FILM ZUM THEMA

Ein Film zur adiabaten Kühlung erläutert nochmals anschaulich die Zusammenhänge.

www.sbz-monteur.de ➔ Das Heft ➔ Filme zum Heft

DICTIONARY

Schweiß = sweat
Stagnation = stagnancy
Trocknen = to dry
Verdunsten = to evaporate

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